DIE LINKE in der Bürgerschaft: Nicht Obdachlose, sondern Obdachlosigkeit bekämpfen!

Aktuelle Zahlen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) belegen, dass die Zahl der Obdachlosen auf Hamburgs Straßen sich in den letzten zehn Jahren um 86% erhöht hat – 1910 Menschen haben in Hamburg kein Dach über dem Kopf. Fast zwei Drittel davon sind nicht deutscher Herkunft, überwiegend aus dem EU-Ausland. Entgegen der Auffassung eines „Sogeffekts“ ist der Anreiz nach Deutschland zuzuwandern nicht das hiesige Sozialhilfesystem, sondern die Aussicht auf einen Job. Der Senat reagiert auf dieses Phänomen repressiv: Obdachlose aus dem EU-Ausland sind mit Freizügigkeitsüberprüfungen konfrontiert, ihnen wird in vielen Fällen der Zugang zum Winternotprogramm verwehrt. In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch,dem 10.04. haben wir vom Senat eine Abkehr von dieser Politik und Hilfen statt Repression für Obdachlose gefordert.

Außerdem haben wir ein Verbot der Gatterjagd beantragt, bei der Tiere in einem Gehege zum Abschuss freigegeben werden.

 

 

Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) hat im Januar 2019 die Ergebnisse der im März 2018 durchgeführten Befragung von obdach- und wohnungslosen Menschen in Hamburg veröffentlicht. Die Befragung zeigt einen dramatischen Anstieg der auf der Straße lebenden Menschen. 1.910 obdachlose Menschen wurden insgesamt auf der Straße angetroffen – das ist eine Steigerung um 86 Prozent seit 2009. Auch die Zahl der in der öffentlich-rechtlichen Unterkunft lebenden Menschen ist seit der letzten Untersuchung auf 4.666 gestiegen bzw. 5.210 (Stand: Januar 2019) und damit um 78 Prozent. Addiert man diese Zahl mit den mehr als 15.500 wohnberechtigten Zuwanderer_innen, leben aktuell 22.644 Menschen ohne Wohnung in Hamburg. Davon leben mehr als 60 Prozent länger als ein Jahr in den Unterkünften. Darüber hinaus ist von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen, denn beispielsweise Personen, die über eine Mitwohnmöglichkeit bei Bekannten verfügen, wurden nicht befragt. Auch aufgrund von vermehrten Polizeikontrollen, Freizügigkeitsüberprüfungen und der Räumung von Platten in den Monaten vor der Befragung wurden viele Obdachlose gar nicht erst erreicht. Andere haben die Befragung abgelehnt, weil sie trotz Zusicherung der Anonymität fürchteten, dass Informationen aus ihrem Interview unter Umständen negativen Einfluss auf ihren Aufenthaltsstatus bis hin zu einer Abschiebung haben könnten.

Fast zwei Drittel der obdachlosen Menschen sind nicht-deutscher Herkunft. Davon haben 71 Prozent angegeben zur Arbeitssuche nach Hamburg gezogen zu sein oder weil sie bereits ein konkretes Jobangebot hatten. Tatsächlich eine Arbeit aufgenommen haben nur knapp 25 Prozent der Befragten. Wieso es letztendlich nicht zu einer Arbeitsaufnahme kam, wurde nicht abgefragt. Nur 1,2 Prozent der nicht-deutschen Obdachlosen haben angegeben wegen des Gesundheitssystems nach Hamburg gekommen zu sein und 1,5 Prozent, weil sie staatliche Unterstützung zu bekommen hofften. Ähnlich sind die Angaben derer, die in der öffentlich-rechtlichen Unterkunft leben. Hier gaben 40 Prozent an zur  Arbeitssuche nach Hamburg gekommen zu sein. Zwar waren mehr der befragten Wohnungslosen erfolgreich, dennoch ist auch hier die Anzahl derer, die keine Arbeit gefunden haben, dominierend. Der Anreiz vieler Unionsbürger_innen nach Deutschland zuzuwandern ist also nicht – wie häufig behauptet – das hiesige Sozialhilfesystem, sondern die Aussicht auf einen Job. Der immer wieder angeführte „Sogeffekt“ als Folge von Unterstützungsangeboten wird weder durch die Studie bestätigt, noch sollte dieser dazu führen, dass nicht-deutsche Obdachlose auf der Straße verelenden. Besorgniserregend ist auch, dass mehr als die Hälfte der nicht-deutschen Obdachlosen angaben, dass sie bereits seit ihrer Ankunft in Hamburg ununterbrochen auf der Straße lebten. Sowohl der hohe Anteil der nicht-deutschen obdachlosen Personen, als auch die hohe Anzahl derjenigen, die von Beginn an in Hamburg auf der Straße leben, verdeutlichen einmal mehr den mangelnden Zugang dieser Menschen zum sozialen Sicherungs- und Hilfesystem. Denn auch die öffentlich-rechtliche Unterbringung ist nur für Menschen zugänglich, denen über einen längeren Zeitraum Sozialleistungsansprüche bewilligt werden. Auch ist der Anteil der obdachlosen Menschen ohne Krankenversicherungsschutz seit der letzten Befragung im Jahr 2009 deutlich angestiegen. Damals gaben 35 Prozent an keine gültige Krankenversicherungskarte zu haben, aktuell liegt der Anteil bei 53 Prozent. Zwar erklärt sich die Zahl durch die Zunahme nicht- deutscher Obdachloser, aber auch unter den deutschen Obdachlosen gaben knapp 28 Prozent an keinen Versicherungsschutz zu haben.

Im Zuge der Debatte um Obdach- und Wohnungslosigkeit setzt der Hamburger Senat seit März 2017 auf ein verschärftes Vorgehen gegen obdach- und wohnungslose Menschen nicht deutscher Staatsangehörigkeit. Um das Recht auf Freizügigkeit zu überprüfen, wird insbesondere die Gruppe der osteuropäischen Obdachlosen systematischer überprüft. So wurden mehr als 1.000 Obdachlose zwischen März und Dezember 2017 dem Einwohnerzentralamt gemeldet, davon wurden fast 600 Personen zur Vorsprache aufgefordert (Drs. 21/11838; Drs. 21/11021). Zwischen Januar und November 2018 sind die Zahlen ähnlich hoch: 685 Personen wurden dem Amt gemeldet, 376 Personen wurden zur Vorsprache aufgefordert. Anstelle einer Weitervermittlung an die niedrigschwelligen Beratungs- und Hilfsangebote der Wohnungslosenhilfe, wurde in rund 70 Fällen die sofortige Rückführung in die Herkunftsländer durchgesetzt (Drs. 21/14994). Diese Vertreibungspraxis führt dazu, dass die Obdachlosen ihre gewohnten Schlafplätze verlassen und für das Hilfesystem nicht mehr erreichbar sind. Viele sind inzwischen so krank, dass die Verwahr- oder Reisefähigkeit eingeschränkt ist (Drs. 21/15968), so dass sie gar nicht abgeschoben werden könnten. Die Vertreibungspolitik des Senats ist scheinbar gescheitert. Um einer Verelendung von obdachlosen Zuwanderer_innen vorzubeugen, sollte ihnen möglichst frühzeitig der Zugang zu bedarfsgerechten Hilfen unabhängig von Leistungsansprüchen ermöglicht werden.

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird aufgefordert:

  1. auf Vertreibungsmaßnahmen und systematische Freizügigkeitsüberprüfungen zu verzichten,
  2. sicherzustellen, dass die Beratungs- und Hilfsangebote ausnahmslos allen Menschen in Not unabhängig ihrer Herkunft zugänglich sind. Dabei ist auf Personen- und Ausweiskontrollen zu verzichten,
  3. den anonymen und niedrigschwelligen Zugang zum Winternotprogramm wiederherzustellen. Die Wärmestube sollte nicht Teil des Winternotprogramms sein,
  4. eine inklusionsfördernde Beratungsarbeit und unterstützende Strukturen, z.B. in den Jobcentern und Grundsicherungsämtern, zu etablieren. Sprachliche Barrieren in der Beratung sollten durch den Einsatz von Dolmetscher_innen abgebaut werden,
  5. die Herausgabe von anonymen Behandlungsscheinen durch eine unabhängige Beratungsstelle zu implementieren, um so den Zugang zum medizinischen Regelsystem sicherzustellen sowie
  6. den Fonds zur Übernahme von möglicherweise anfallenden Behandlungskosten um 100.000 Euro jährlich aufzustocken, um so auch notwendige teurere medizinische Behandlungen zu ermöglichen,
  7. die Förderung von EHAP-Projekten, die sich an besonders benachteiligte neuzugewanderte Unionsbürger_innen richten, auch über die Förderzeit nach 2020 hinaus mit Landesmitteln sicherzustellen,
  8. Sprachkurse und Qualifizierungsangebote für nicht bzw. geringqualifizierte Unionsbürger_innen zu schaffen, um so den Zugang zu regulärer, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu ermöglichen und
  9. Integrationskurse auch für EU-Zuwanderer_innen zu öffnen und ausreichend Plätze für diese Gruppe bereit zu stellen,
  10. sich auf Bundesebene für eine Gesamtstrategie einzusetzen mit dem Ziel die Rahmenbedingungen für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger deutlich zu verbessern, Arbeitsausbeutung zu bekämpfen und die Barrieren abzubauen, die bisher einer gleichberechtigten Teilhabe entgegenstehen. Die Integration in den Arbeitsmarkt, die Sicherung des Lebensunterhaltes sowie der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung stellen hier zentrale Bereiche dar in denen der Bund gefordert ist,
  11. der Bürgerschaft bis zum 31. Juli 2019 über die Punkte 1-10 zu berichten.

 

 

Die Große Anfrage der Linksfraktion (21/15082) hat ergeben, dass regelhaft im Wildgehege Klövensteen eine Gatterjagd, also einer Jagd auf Wildtiere in einem Gehege, betrieben wird. So wurden mittels Gatterjagd im Jahr 2017 im Wildgehege Klövensteen 50 Tiere erlegt. Die Gatterjagd, besonders die im Wildgehege Klövensteen stattfindende, muss vor dem Hintergrund der heutigen Diskussion im Bereich Tierschutz als ein anachronistisches Brauchtum angesehen werden, für das es heutzutage keinen Grund gibt, der ernsthaft mit dem Begriff Tierschutz in Verbindung gebracht werden kann. Der HTV erklärt in einer Pressemeldung, dass er das Schießen von Wildtieren in Gehegen als „besonders verwerflich“ einordnet.

Zu dieser Einsicht kamen auch schon andere Bundesländer. So ist beispielsweise die Gatterjagd in Schleswig-Holstein seit 1999 gesetzlich verboten, die 15-jährige Übergangsfrist für bestehende Gehege lief 2014 aus.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Das Hamburgische Jagdgesetz ist wie folgt zu ändern:

Der § 16 „Sachliche Verbote“ wird im Absatz (1) mit der Überschrift „Über die Verbote des § 19 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes hinaus ist es verboten,“

um folgende Formulierung als neuer Punkt 5 ergänzt:

„Jagdbezirke oder Teile von Jagdbezirken zum Zweck der Jagd oder der Hege einzugattern sowie in Jagdgattern die Jagd auszuüben oder die Jagdausübung zuzulassen.“