Plenarprotokoll 20/63: Rot-grüne Steuerpläne – Gift für Mittelstand und Arbeitsplätze

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte gefällt mir gar nicht,

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Das ist noch viel zu wenig!)

und zwar natürlich deswegen, weil das Konzept der LINKEN nicht diskutiert wurde. Das hätten Sie auch ruhig einmal lesen können, vielleicht wären Sie bei bestimmten Punkten schlauer geworden.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor allem hat es mir nicht gefallen wegen der Schlagworte, die so durcheinandergewirbelt wurden. Nach dem, was die CDU und die FDP dargestellt haben, muss die Situation unter Konrad Adenauer und Helmut Kohl mit 56 Prozent Spitzensteuersatz und der damaligen Vermögensteuer der Abgrund der Hölle gewesen sein.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Es muss damals eine unvorstellbare Situation gewesen sein, wenn schon diese kleinen Vorhaben, die momentan gefordert werden, im Verhältnis zu dem, was es damals gab, solche dramatischen Entwicklungen hervorbringen sollen. Sie müssen sich einmal mit verschiedenen Dingen auseinandersetzen und auch historisch ein bisschen länger zurückschauen, dann können Sie hier auch auftreten.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Finn-Ole Ritter FDP: In der Vergangenheit leben ist Ihr Konzept!)

Von daher ist dies ein Niveau der Darstellung, mit dem man meiner Meinung nach kaum noch vernünftig umgehen kann. Ich will jetzt nicht auf die einzelnen Punkte wie Vermögensabgabe, Vermögensteuer oder Erbschaftsteuer eingehen. Das sollte man im Wahlkampf beientsprechenden Situationen tun, wenn man auch die einzelnen Punkte auseinanderhalten kann. Alles andere ist hier nicht möglich. Aber ich möchte Sie auf eines hinweisen, das ist für mich das Entscheidende, weil es einen Hamburg-Bezug hatte. Im Rechnungsprüfungsausschuss hatten wir diese Woche eine Diskussion über die Situation dieser Stadt. In diesem Ausschuss wurde festgestellt – übrigens haben auch Sie das festgestellt –, dass wir ein strukturelles Defizit von etwa 700 000 Euro bis zu einer 1 Milliarde Euro haben, das gegenwärtig nicht finanziert wird und wo wir zulasten der zukünftigen Generationen leben. Wie wollen Sie denn dieses strukturelle Defizit in irgendeiner Form ausgleichen?

(Katja Suding FDP: Ausgaben senken!)

– Ich habe das mit den Ausgaben schon verstanden, ich bin doch nicht schwerhörig.

(Beifall bei der LINKEN – Roland Heintze CDU: Aber schwer von Begriff!)

Bei den Vorschlägen und den gemeinsamen Diskussionen, die wir in den letzten Monaten hatten, sprudelten Sie nicht gerade über von Vorschlägen dahingehend, wo man Ausgaben einschränkt.

(Zuruf von Katja Suding FDP)

Sie sprudelten dagegen über mit Vorschlägen, dass man das allgemein machen sollte. Jeder, der sich mit der sozialen und kulturellen Struktur in dieser Stadt auseinandersetzt und mit den Infrastrukturprojekten – Herr Schinnenburg, Sie passen doch auf, oder? – muss doch sagen, wie denn diese Sachen bezahlt werden sollen. Dafür gibt es von Ihnen keine Vorschläge.

(Zuruf von Hjalmar Stemmann CDU)

Herr Schira, eines ärgert mich am meisten. Wir diskutieren dieser Tage über die Elbphilharmonie und die HSH Nordbank, beides Projekte, durch die Sie dieser Stadt mit Ihrer Politik Hunderte von Millionen Euro aufgebürdet haben und die wir in den nächsten Jahren bezahlen müssen. Allein 3,2 Milliarden Euro sind es schon bis jetzt bei der HSH Nordbank.

(Zurufe von der CDU – Olaf Ohlsen CDU: 2 Milliarden wollen Sie ausgeben!)

Und jetzt tun Sie so, als wenn das alles locker zu machen wäre. Das ist keine glaubwürdige Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist eine Art und Weise, populistisch herumzuschwafeln und zu behaupten, man bekäme das schon alles hin.

(Olaf Ohlsen CDU: Sankt-Florians-Prinzip!)

Ich hoffe, dass Sie nicht mehr die Verantwortung tragen werden nach dem September.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Beitrag

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Suding hat mich dazu gebracht, noch ein paar Worte zu sagen. Es geht mir nicht darum, den Linksruck Frankreichs unter Sarkozy genauer zu analysieren. Ihre Darstellung irritiert mich natürlich schon.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN und Heiterkeit bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Zugegebenermaßen hat er das erreicht, was Sie eben dargestellt haben. Ich will Ihnen in einem Punkt sogar recht geben. Auch das ist kompliziert in diesem Haus zu diskutieren, aber die kalte Progression ist wirklich eines der großen Themen, denen wir uns annehmen und wo wir etwas verändern müssen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Machen Sie mal einen Vorschlag! – Gegenruf von Dora Heyenn DIE LINKE: Das haben wir schon gemacht!)

Wir haben in unserem Programm, das können Sie einmal lesen, Herr Ritter, genau dieses Thema benannt. Dass man durch eine einfache Inflation proportional mehr Steuern bezahlen soll, halten wir für eine falsche Entwicklung. Wir haben einen Vorschlag gemacht, wie man aus der kalten Progression der Steuerentwicklung herauskommen kann. So weit sind wir mit Ihnen einer Meinung. Jetzt kommen wir zu zwei Themen, die dabei wichtig sind. Ihre Bemerkung zur Lohnquote war doch ein richtiger Trick. Sie setzen die Lohnquote zweier Jahre in einen Vergleich, anstatt die vergangenen zehn Jahre zu betrachten, wobei Sie genau wissen, dass dann die Entwicklung anders aussieht. Das ist das Erste.
In der Zeit sind die Unternehmensgewinne kräftig gestiegen, die Lohnquote dementsprechend nicht. Nur in diesem langfristigen Vergleich ist das meiner Meinung nach ordentlich darzustellen und zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens stellt sich die Gerechtigkeitsfrage bei einer Lohnquote nicht, sondern sie stellt sich bei der Verteilung von Armut und Reichtum in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben das anhand des Armuts- und Reichtumsberichts diskutiert. Dort wurde deutlich festgestellt, dass das obere 1 Prozent besonders kräftig gewonnen hat. Sie könnten nun aufgrund Ihrer politischen Vorstellung sagen: Wir finden das auch sehr ungerecht und sogar unverschämt, aber man kann leider politisch nichts machen. Das sagen Sie aber noch nicht einmal. Ich bin der Meinung, wenn etwas unverschämt und ungerecht ist, dann müssen wir uns anstrengen, das zu verändern.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Dafür stehen wir auch ein. Dementsprechend ist eine Vermögensteuer, wie sie fast überall in Europa erhoben wird,

(Robert Bläsing FDP: Das sieht man ja an Frankreich!)

auch hier vernünftig und bedeutet nicht den Untergang des Abendlandes.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Was die Vorschläge der CDU betrifft, unterstütze ich einmal ausnahmsweise den Redebeitrag von Herrn Tschentscher. Bei der CDU will ich noch einmal einiges einfordern. Ich freue mich, dass wir endlich eine volkswirtschaftliche Betrachtung bekommen werden, also nicht nur eine kameralistische, sondern eine volkswirtschaftliche Doppik-Betrachtung. Dann können wir feststellen, dass etwas zusätzlich zu kaufen nicht ein höheres strukturelles Defizit bedeutet.

(Roland Heintze CDU: Das wird zu teuer!)

Wir werden einmal darüber diskutieren, ob der Kauf der Netze das Eigentum der Stadt erhöhen oder verringern wird. Das wird die große gesellschaftliche Debatte sein.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Heute nicht mehr!)

Dementsprechend ist das eine ganz andere Frage. Strukturelles Defizit zu machen dient vor allen Dingen der sozialen und kulturellen Infrastruktur in dieser Stadt und der schlecht dastehenden Infrastruktur im Allgemeinen. Dafür brauchen wir mehr Geld, und das wissen Sie auch. Setzen Sie sich doch dafür ein. – Danke.