Plenarprotokoll 20/80: Nehmerland im Länderfinanzausgleich, Wirtschaftskraft sinkt – Senat muss Alarmzeichen erkennen
Norbert Hackbusch DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Heintze, nach den Erfahrungen, die wir mit der CDU in dieser Stadt gemacht haben, gehört schon eine ziemliche Portion Mut dazu, sich hier als haushalts- und wirtschaftspolitischer Star zu empfehlen.(Beifall bei der LINKEN und der SPD)Ich will es noch einmal in Erinnerung rufen, weil es in der nächsten Zeit durchaus eine wichtige Debatte sein könnte. Welche Erfahrungen haben wir in den letzten Jahren diesbezüglich gemacht? Ihr eigener Bürgermeister, Herr Ole von Beust, hat damals darauf hingewiesen, dass der Haushaltsausgleich im Jahre 2007 nur durch Taschenspielertricks – er nannte das kreative Bilanzierung – möglich gewesen war. Wir können uns gemeinsam daran erinnern, dass das HSH-Desaster, das gerade in diesen Tagen wieder eines der großen Probleme für diese Stadt geworden ist, im Wesentlichen aus Ihrer Feder stammt. Wir stellen fest, dass Sie im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie im Wesentlichen die Verantwortung tragen müssen, und wir haben auch eine riesige Bilanz, welches öffentliche Eigentum in Ihrer Zeit massiv verschleudert worden ist. Dementsprechend geht es nicht, sich hier in dieser Form zu profilieren.(Beifall bei der LINKEN und der SPD)Da gibt es dann auch keine Einheit der Opposition in irgendeiner Form, obwohl ich natürlich die SPD jetzt nicht aus dem Schlamassel herauslassen will, in dem sie durchaus steckt.(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Ach, die Sätze waren eben so schön!)Was ist denn das Hauptproblem, dem wir gegenwärtig gegenüberstehen? Das müssen wir einmal versuchen zu bilanzieren. FDP, SPD und die GRÜNEN, damals noch die GAL, haben gemeinsambeschlossen, die Schuldenbremse in der Hamburger Verfassung zu verankern,(Beifall bei der LINKEN und bei Finn-Ole Ritter FDP)und haben gesagt, das sei eine großartige Entwicklung. Vielleicht haben die SPD und die GRÜNEN damals noch gehofft – wie ich vielleicht auch –, dass wir in der Lage sein werden, die Einnahmesituation in dieser Stadt zu verbessern, was im Wesentlichen nur über die Bundesregierung möglich ist. Alles andere, was Sie dort gemacht haben, und das können wir uns gegenwärtig im Zusammenhang mit der Haushaltspolitik ansehen, ist unverantwortlich: nicht die Einnahmen zu verbessern, aber auf jeden Fall die Schuldenbremse einzuführen und damit die Handlungsfähigkeit der Stadt zu beschränken. Das stellen wir zurzeit dramatisch fest bei der Aufstellung des Haushalts in den einzelnen Bereichen. Was ist denn gegenwärtig los, wenn wir uns das genau angucken?(Finn-Ole Ritter FDP: Das tut weh!)Wir haben in den Bezirken und den Behörden die Situation, dass öffentliche Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden, weil die Kürzungen dazu geführt haben, dass Stellen weggefallen sind. Das können Sie gegenwärtig an verschiedenen Punkten feststellen. Wir haben eine gemeinsame Sitzung aller Fraktionen mit den sozialen Trägern gehabt. Die Diakonie als großer sozialer Träger in dieser Stadt hat dargestellt, dass sie die öffentlichen Aufgaben nur noch wahrnehmen könne, wenn sie entweder Tarifflucht begehe, weil sie durch die Beschränkung nicht mehr in der Lage sei, ihre Aufgaben zu erfüllen, oder wenn sie sich auf die Aufgaben beschränke, die dringend notwendig seien. Das haben wir gemeinsam festgestellt.Das dritte Wichtige, und das ist für die Haushaltspolitik und die Wirtschaftspolitik eines Senats entscheidend: Die Infrastrukturprobleme, die wir schon in der Stadt haben – da braucht man sichnur den Hafen oder die Brücken anzuschauen –, bauen wir gegenwärtig noch mehr auf, weil die Stadt für Infrastruktur nicht ausreichend Geld zur Verfügung stellt. Die Probleme dieser Stadt werden kräftig wachsen.(Beifall bei der LINKEN)Die Maßnahme der SPD dazu ist nicht, eine Idee vorzustellen, wie man das verändern könnte, sondern in schlechter Manier der Controller werden alle gleichmäßig beschränkt.(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht!)Der Senat beschränkt die Ausgaben auf 0,88 Prozent für alle außerhalb und 1,5 Prozent für alle innerhalb der Behörden. Das sind die Maximen, die im Wesentlichen dort existieren, und das fräst durch alle Bereiche des Haushalts, wie Sie gegenwärtig in der Haushaltsaufstellung merken.(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist falsch!)Das ist die Art und Weise, wo wir dann und wann vielleicht einmal etwas für die Stadtteilkultur bekommen, aber nur dann und wann. Das ist die Art und Weise, wie Sie das machen, und das ist eine schlechte Situation.(Beifall bei der LINKEN)Bei vielen Sachen, die eben debattiert worden sind – ich will nicht auf alle Aspekte eingehen, aber es ist natürlich richtig, dass wir ein großes wirtschaftliches Problem in dieser Stadt haben –, vermisse ich den Senat in seiner Lautstärke. Gegenwärtig können wir viele Insolvenzen feststellen. Wir haben eine Schifffahrtskrise, die dramatisch ist. Zwar hat es in der gegenwärtigen Situation im Wesentlichen die privaten Dummköpfe erwischt, die dort irgendwelche Papiere gezeichnet haben und deren Geld jetzt weg ist. Die waren ein bisschen naiv und sind gelinkt worden, wie in mehreren Prozessen vielfach dargestellt wird. Aber wir haben die Situation, dass das weiter voranschreitet. Wir haben schon eine riesige Summe Geld für Hapag-Lloyd investiert, und wir brauchen eine Perspektive, wie wir dieses Problem lösen. Daran fehlt es, nur durchfusseln allein reicht nicht. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweiter Beitrag
Norbert Hackbusch DIE LINKE: Meine Damen und Herren! Das war nun schon der Auftakt für die Auseinandersetzungen um die Wahlen, so wie wir das kennen. Dementsprechend ist es vernünftig, nicht zu viele Fragestellungen aufzumachen, sondern einmal zu versuchen, einige Dinge aufzuarbeiten. Was kann eigentlich eine Region wie Hamburg regionalwirtschaftlich machen? Herr Wersich ist mit seinen Vorstellungen nicht ganz allein in der Stadt, und ich möchte mich damit einmal auseinandersetzen. Hier ist natürlich eine Sache interessant. Da ist dieser Nimbus einer großen Entwicklung, eingeführt von der CDU und später von den Grünen unterstützt, deswegen kritisieren Sie das auch nicht so sehr. „Wachsende Metropole“ – als ob das diesen Riesendurchbruch gebracht hat.
Darüber können wir uns noch einmal kräftig auseinandersetzen, aber ich finde, es sprechen kaum Fakten dafür. Hamburg ist in diese Situation aufgrund der normalen Entwicklung geraten – Herr Kerstan hat das schon aufgeführt –, die in gewisser Weise automatisch eingetreten ist durch die veränderten politischen Situationen in Osteuropa. Dadurch haben wir eine stärkere Stellung als Stadt bekommen und haben dementsprechend automatisch eine stärkere regionalpolitische, wirtschaftspolitische Situation. Das sollte man ganz nüchtern betrachten und sich daran auch erfreuen. Ich habe den Eindruck, dass das von Ihnen mitinitiierte Leitbild der „Wachsenden Stadt“ und auch das Gefühl, von dem es getragen worden ist – noch heutzutage wird das in der Debatte positiv benannt – eher mit diesem Größenwahn, der diese Stadt umfasst hat, eng verbunden war nach dem Motto: Wir sind so großartig und können alles Mögliche. Diesen Größenwahn arbeiten wir gegenwärtig im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie auf, wo man sich manchmal fragt, ob die eigentlich noch normal gedacht haben.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)
Ich meine auch den Größenwahn im Zusammenhang mit der HSH Nordbank nach dem Motto: Wir sind die tollsten Investmentbanker, die sich die Welt überhaupt nur vorstellen kann. Das ist es
doch, was diese Zeit gekennzeichnet hat. Ich möchte SPD und GRÜNE sehr davor warnen, sichdas als Vorbild zu nehmen. Das ist kein vernünftiges Vorbild für die Zukunft.
(Beifall bei der LINKEN)
Richtig an der Kritik an der SPD ist, dass die Schifffahrtskrise angesehen werden muss. Das ist ein Problem. Herr Tschentscher kann sich nicht hinstellen und uns nur den Länderfinanzausgleich
erklären, was wir meinetwegen im Haushaltsausschuss lange diskutieren können. Wir müssen in der Lage sein, an diesem Problem etwas zu ändern, weil es die HSH Nordbank trifft, weil es die
Reedereien trifft und weil viele Illusionen, die Sie gegenwärtig noch hinsichtlich der HSH Nordbank haben, damit verbunden sind. Das müssen wir aufarbeiten, und das ist nicht einfach zu machen. Dazu ist Hapag-Lloyd zu bilanzieren und es ist zu überlegen, wie man damit weiter umgehen kann.
Zweitens ist es richtig, dass wir regionalwirtschaftlich stark sein müssen. Dafür muss eine Universität besser ausgestattet werden, dafür muss innovative Wirtschaftspolitik besser ausgestattet werden, und dafür brauchen wir Geld. Darum streiten wir uns in dieser Gesellschaft. SPD und GRÜNE: vergesst das nicht. Wir haben das im Bundestagswahlkampf noch gemeinsam gemacht. Wir brauchen mehr Geld, um in der Lage zu sein, vernünftige Politik in dieser Stadt zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen die Vermögensteuer, wir brauchen mehr Einkommen. Es ist doch eine völlige Illusion, einfach zu sagen, wir können das auch so. Das wird der Zukunft nicht gerecht werden. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)