U5: Milliardengrab statt dringend notwendiger Beitrag zur CO2-Reduktion
Bei der Befragung zur U5 warteten der Senat und seine Planer gestern mit einer Fülle von Ungereimtheiten auf und musste diverse Fragen offen lassen. Eine Kostenschätzung für den ersten Bauabschnitt, der mit 1,8 Milliarden Euro (311 Millionen pro Kilometer) veranschlagt war, liegt immer noch nicht vor. Der Senat hatte sie für Sommer 2022 angekündigt und will sie jetzt Ende Februar vorlegen, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Um für die nächsten 100 Jahre im Nahverkehr gut gerüstet zu sein, müssten wir jetzt „erstmal drei Jahrzehnte durchhalten.“
Hochbahnprojektleiter Klaus Uphoff erklärte, die Kostenprognosen von 2018 seien nicht mehr haltbar. Bürgermeister Tschentscher hatte im Vorfeld von „großzügigen Preisgleitklauseln“ bei den anstehenden größeren Bauprojekten der Stadt gesprochen. Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion: „Da droht ein Milliardengrab, das nebenbei auch noch dafür sorgt, dass die Klimaziele krachend verfehlt werden.„
Zur CO2-Bilanz des Großbauvorhabens hatte der Senat drei Gutachten vorgelegt, die gegenüber der heutigen Kalkulation der Emissionen für Herstellung und Verarbeitung der Baustoffe Beton und Baustahl Einsparpotentiale von mehr als 50 Prozent für machbar erklärt hatten. Einer von Ihnen, Professor Florian Gschösser von der Uni Innsbruck, stellte sich den Fragen des Ausschusses. Er bezeichnete die Einsparziele als „alle sehr sportlich“. So hatte denn auch der Drittgutachter STUVA nicht von einem Zielszenario, sondern von einem „Best-case-Szenario“ des Senats gesprochen:
„Man sollte sich ambitionierte Ziele setzen„, sagte Gschösser. Zusagen der Industrie über die Lieferung und Verarbeitung emissionsarm oder gar emotionsfrei hergestellter Baustoffe gebe es keine. Es existiere seitens der Industrie aber eine Roadmap zur schrittweisen Umstellung der Produktionen bis 2050. Der Senat müsse in den Anforderungen seiner noch ausstehenden Ausschreibungen für den zweiten Bauabschnitt die jeweils umweltfreundlichsten Baustoffe als Anforderungen vorgeben. Bisher hatte der Senat den Eindruck erweckt, die gesetzten CO2-Einsparziele würden problemlos erreicht werden.
Der Klimabeirat des Senats hat in seiner Stellungnahme Ende Januar festgestellt, dass die U5 mit ihren 20 Jahren Bauzeit zur Erreichung der vom Senat festgesetzten Klimaziele für 2030 zu spät komme. Der erste Bauabschnitt der U5, die 5,8 Kilometer von Bramfeld bis City Nord, soll laut Uphoff 2032 fertig sein, der zweite Bauabschnitt 2040. Tjarks wollte die Kritik seines Klimabeirats nicht gelten lassen. Entscheidend für die Klimabilanz sei es, die „Antriebswende“ im motorisierten Individualverkehr zu schaffen. Pkw und Lkw müssten elektrisch fahren. „Wenn der Klimabeirat die U5 zur Disposition stellt, ist das eine nicht reale Vorstellung„, sagte Tjarks. „Auch die Straßenbahn hat eine Bauzeit.“ Die Stellungnahme des Klimabeirats auf die Tagesordnung des Verkehrsausschusses zu setzen, wie es die Linke vorgeschlagen hat, lehnte Rot-Grün mit Koalitionsmehrheit ab.
Bei den Fragen zu den Fahrgastprognosen der U5 geriet der Senat in schweres Fahrwasser. Der Verdacht der Linken-Abgeordneten Sudmann: Die Prognosen liegen deutlich zu hoch. Am Beispiel der Haltestelle Bramfeld konnte der Senat ihr nicht erklären, wo die erwarteten 18.000 Fahrgäste herkommen sollen. Seinen Unterlagen zufolge rechnet er mit 7800 Umsteigern aus Bussen, die am Bramfelder Dorfplatz ankommen, und gab darüber hinaus 9100 Einwohner an, die im fußläufigen Umkreis der U5-Haltestelle wohnen. Von diesen 9100 Anwohnern aber steigen nach gängiger Rechnung der Fachleute nur rund 3000 in die Bahn. So ergeben sich 10.800 statt der ausgewiesenen 18.000 Fahrgäste. Wie sich die Differenz erkläre, konnte auch der von Tjarks eigens mitgebrachte Hochbahnexperte Heidrich nicht erklären. Er bot an, die entsprechende Information „nachzureichen.“
Die Klagen gegen die U5 würden den Bau nicht aufhalten, sagte Tjarks. Die insgesamt 25 Verfahren wurden zu 9 Klagen gebündelt, von denen drei erledigt seien. In den verblebenden sechs Fällen würde noch verhandelt mit dem Ziel eines außergerichtlichen Vergleichs. Mit drei Parteien seien die Gespräche „weit fortgeschritten.“ Zu den anderen drei Verfahren sagte Tjarks nichts. Prognosen zum Ende der Verhandlungen wollte er nicht abgeben.