Werbung für MOIA in Hamburg
Kaiser, Florian

Exklusiv mit VW: „Umweltfreundliche Personenbeförderung“ nach rot-grüner Manier

VW-Tochter bekommt exklusiven Marktzugang in Hamburg


Heike Sudmann

 

Schon mal was von Shuttleservice, Ride Pooling oder On-Demand-Betrieb gehört? Keine Angst, ich will keine Werbung für einen Englischsprachkurs machen, sondern nur die neuesten Schlagwörter aus Verkehrsdebatten in der Bürgerschaft wiedergeben. Der 2021 in Hamburg stattfindende Weltkongress zum Thema Intelligente Verkehrssysteme und Services (ITS – Intelligent Transport Systems) wirft nämlich seine Schatten voraus. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) schrieb dazu am 1. November 2017 u.a.:

„Mit der starken Unterstützung aus der strategischen Partnerschaft mit dem Volkswagen Konzern und mehr als 100 Unterstützungszusagen von Industrie, Forschung und Verbänden hatte die Bewerbung Hamburgs starken Rückenwind über die Stadtgrenzen hinaus aus der gesamten Branche. Hamburg möchte in den nächsten Jahren ein Test- und Erprobungsumfeld bieten, um gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft an dem Einsatz künftiger Technologien zu arbeiten. Dazu hatte es in den vergangenen Monaten weitere Kooperationsvereinbarungen mit den Unternehmen BMW, Daimler, Deutsche Bahn und HERE Technologies gegeben.“

Der „Einsatz künftiger Technologien“ auf dem „Test- und Erprobungsfeld“ Hamburg kommt erstmal ganz banal daher, nämlich als eine neue Verkehrsform nach dem Personenbeförderungsgesetz, die der Senat der VW-Tochter MOIA genehmigt hat. In der Pressemitteilung der BWVI vom 26. April erfahren wir dazu Folgendes: „MOIA ist eine Marke des VW-Konzerns und plant eine über eine App gesteuerte umweltfreundliche Personenbeförderung in Hamburg. Beim sogenannten Ride Pooling teilen sich Personen ein Fahrzeug, deren Start- und Zielposition in ähnlicher Richtung liegen. Für diesen Einsatz wurden eigens Elektrobusse für die Anforderungen in Hamburg entwickelt. Zunächst sendet der Kunde über eine App eine Fahrtanfrage. Ein dynamischer Algorithmus ordnet sie einer neuen oder einer bereits bestehenden Fahrt zu. Der Fahrer wird über eine App informiert und zum Kunden navigiert, um ihn an einem Haltepunkt abzuholen. Fahrgäste, die sich bereits im Auto befinden, werden über ein Display informiert, dass ein weiterer Fahrgast zusteigt. Die Wagen steuern virtuelle Haltepunkte an. Nur an diesen Haltepunkten werden die Fahrgäste ein- und aussteigen können. Der Fahrpreis wird wie im Linienverkehr mit Bussen jeweils pro Person und Strecke berechnet. (…) Das Angebot soll keine Konkurrenz zum Hamburger Taxiverkehr sowie zu Bus und Bahn darstellen. Es gilt als Ergänzung und will die Lücke zwischen diesen Verkehrsformen schließen.“

ÖPNV und Taxen bekommen keine Chancengleichheit

Die MOIA-Fahrzeuge können bis zu sechs Personen mitnehmen. Mit dieser Größenordnung liegen sie nicht in der Mitte zwischen Bus oder Bahn und dem Taxi, sondern sind nur unwesentlicher größer als die Taxen mit ihren regelhaften vier Fahrgastplätzen. Aktuell gibt es rund 3.000 Taxen mit ca. 12.000 Fahrgastplätzen in Hamburg. Dem stehen in wenigen Jahren 1.000 MOIA-Fahrzeuge mit insgesamt 6.000 Plätzen gegenüber. Übrigens sollen die MOIA-Fahrzeuge in absehbarer Zukunft autonom, also ohne FahrerIn, unterwegs sein.
Auch beim Fahrpreis wird MOIA nicht in der Mitte zwischen dem HVV und dem Taxipreis liegen. Die Untergrenze bildet die derzeit 3,30 Euro teure Einzelfahrkarte im HVV. Auf meine Nachfrage im Ausschuss bestätigte der Senat, dass mit einem Preis von 3,31 Euro pro Fahrgast unabhängig von der Länge der Gesamtfahrt der Genehmigung Genüge getan wird.

Während für das Taxigewerbe die Fahrpreise von der Behörde festgelegt werden, kann MOIA diese Preise nach Belieben unterbieten. Viele Pflichten des Taxigewerbes gelten für MOIA nicht. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die TaxifahrerInnen um ihre Arbeitsplätze fürchten und vor wenigen Wochen eine Taxi-Demo starteten. Wenn der Senat sagt, MOIA solle keine Konkurrenz zum Taxigewerbe sein, hat er auf eine Art und Weise Recht: Eine echte Konkurrenz würde nämlich eine Chancengleichheit voraussetzen, doch die ist definitiv nicht gegeben. Zulasten des Taxigewerbes bekommt MOIA einen riesengroßen roten Teppich ausgerollt.

Hamburg rollt den roten Teppich aus für Konkurrenz zum HVV

Erstaunlich ist auch die Zusammenarbeit zwischen der Hochbahn bzw. dem HVV und MOIA. Mit einem Preis, der nur knapp über dem HVV liegt, mit einem Angebot parallel zu bestehenden U-/S-Bahn- und Buslinien und der Werbung, sich als Fahrgast fast so abgeschottet und ungestört von anderen Menschen wie im Privat-Pkw fühlen zu können, dürfte der HVV etliche Fahrgäste verlieren. Wenn es wirklich um Lücken im ÖPNV-Netz gehen würde, sollte der HVV selbst ein entsprechendes Angebot betreiben. In Gegenden, wo es keine oder nur schlechte Bus- oder Bahnanbindungen gibt, wäre solch ein Angebot sehr sinnvoll. Doch genau dort wird MOIA nicht fahren, denn sie darf sich selbst aussuchen, wo ihre Fahrzeuge fahren sollen – ohne jegliche Vorgabe des Senats.

Auf der Homepage von MOIA heißt es: „MOIA ist nicht einfach ein weiteres Verkehrsmittel. Wir entwerfen Mobilitätskonzepte, die unsere Städte zu lebenswerteren, sicheren und schöneren Orten machen – für alle Menschen.“ Im Verkehrsausschuss Mitte Juni blies der Vertreter von MOIA in dasselbe Horn: MOIA sei gut für die Stadt und für die Menschen. Für diese Aussage und für das Marketing habe ich ihm und seinen KollegInnen Respekt gezollt, denn mensch könnte den Eindruck gewinnen, dass VW bzw. MOIA ganz uneigennützig handelt. Doch glücklicherweise klärt Volkswagen auf seiner Homepage auf. Dort steht nicht nur, dass MOIA bis 2025 der weltweit führende Mobilitätsdienstleister werden will, sondern auch, dass es Ziel des Volkswagen-Konzerns sei, „bis 2025 einen substanziellen Teil seines Umsatzes mit diesen neuen Geschäftsfeldern (Ridepooling und On-Demand-Betrieb – also auf Abruf – selbstfahrender Autos, H.S.) zu erwirtschaften.“

Von wegen umwelt- und kundenfreundlich …

Für mich bedeutet MOIA nichts anderes, als wenige Menschen in vielen Autos durch die Gegend zu kutschieren. Wieso der Senat das für eine „umweltfreundliche Personenbeförderung“ hält, bleibt sein Geheimnis. Maximal sechs Fahrgäste passen in ein MOIA-Auto, es kann aber auch von nur einer Person genutzt werden. Anstatt den ÖPNV auszubauen, wird hier vom Senat mit VW nicht nur irgendein Autohersteller gepampert, sondern auch noch ein Unternehmen, das mit krimineller Energie Dieselfahrzeuge manipuliert hat. Dieser Betrug an der Umwelt und an den KundInnen darf nicht auch noch belohnt werden.

Für die Taxibetriebe ist MOIA eine hammerharte Konkurrenz. In letzten Quartal 2018 darf MOIA einen Probebetrieb starten, bei dem der Preis sogar nur bei maximal 30 Cent pro Fahrzeug und Kilometer liegt. Mit diesen Dumpingpreisen werden KundInnen angekobert. Viele der heutigen Taxibetriebe würden den Konkurrenzkampf nicht überleben. Ist MOIA erst einmal marktbeherrschend, können die Preise übrigens nach oben getrieben werden, denn „sonstige Vorgaben zur Höhe des Preises sieht die Genehmigung nicht vor“ (so der Senat in einer der vielen aufschlussreichen und erschreckenden Antworten auf meine Anfrage, Drs. 21/13024 vom 22. Mai 2018).