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Der Fall „Astrid Schütt“ sorgte Mitte Mai für Aufsehen: Wieder wurde eine verdeckte Ermittlerin der Polizei enttarnt, die als Spitzel in Hamburgs linke Szene eingeschleust wurde – nach „Iris Schneider“ und „Maria Block“ ist dies bereits der dritte Fall in nur zwei Jahren. Der Fall kam erst durch die Recherchen einiger betroffener AktivistInnen ans Licht: „Astrid Schütt“ soll von Ende 2006 bis April 2013 unter falschem Namen in linken Kreisen verkehrt haben. Auch mit ihrer Enthüllung sind viele Fragen zum verdeckten Einsatz der Polizeibeamtin offen geblieben. DIE LINKE hat versucht, durch Zwei Kleine Anfragen an den Senat Licht ins Dunkel zu bringen. Die Antworten des Senats fallen allgemein und vage aus – doch vor allem machen sie die rechtliche und politische Problematik dieses Einsatzes deutlich.

“Einsatz der verdeckt ermittelnden Beamtin ‚Astrid Schütt'“ Zur Anfrage

„Einsatz der verdeckt ermittelnden Beamtin ‚Astrid Schütt'“ (II) Zur Anfrage

Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, äußert erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit: „Die Antwort des Senats bestätigt meinen Verdacht, dass es sich bei dem Einsatz von ,Astrid Schütt‘ zumindest über einen längeren Zeitraum um eine unzulässige geheimdienstliche Tätigkeit der Polizei handelt. Eine solche geheimdienstliche Tätigkeit der Polizei ist durch die Rechtsgrundlage – § 12 PolDVG* – nicht gedeckt. Es ist nicht einmal ansatzweise nachzuvollziehen, dass der Einsatz im selbstverwalteten Jugendzentrum „Unser Haus e.V.“ in Bergedorf zur ,Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich‘ oder dass er das einzige Mittel zur ,Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung‘ gewesen sein könnte.“

Einsatz in Jugendzentrum fragwürdig

Die Antwort des Senats liefere nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die verdeckte Ermittlung notwendig war – im Gegenteil: Die Frage, ob der Einsatz zu Ermittlungsverfahren geführt habe, bleibt unbeantwortet. Christiane Schneider weiter: „Es liegt nahe, dass der Einsatz der Beamtin im Jugendzentrum und auch weitere Aktivitäten ausschließlich dem Zweck dienten, eine Legende aufzubauen. Zu diesem Zweck hat sie sich in alle möglichen Gruppen eingeschlichen, getäuscht, gelogen, Vertrauen erschlichen, politische Meinungsbildungsprozesse manipuliert. Das ist durch das Gesetz nicht gedeckt.“

Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst missachtet

Auch der mehrfache Austausch mit dem Landesamt für Verfassungsschutz stelle, wie schon beim Einsatz von Iris P.,  dem Staatsschutz des LKA ein schlechtes Zeugnis aus: „Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst scheint dort niemanden interessiert zu haben. Viele Fragen bleiben unbeantwortet, nicht zuletzt auch die Frage, ob sdie Polizei Privatpersonen zur Stützung einer Legende benutzt hat und ob diese Personen über eine mögliche Gefährdung eigentlich informiert wurden.“ Vieles bleibe noch aufzuklären, so Schneider: „Die Frage nach Konsequenzen aus drei bekanntgewordenen Einsätzen und ihrer rechtlichen und politischen Problematik drängt sich auf. Wir werden alles dafür tun, dass der Aktendeckel in Sachen „Verdeckte Ermittlungen“ in linken Strukturen nicht geschlossen wird!“

* Rechtlicher Hintergrund:

 In § 12 PolDVG – Datenerhebung durch den Einsatz Verdeckter Ermittler – heißt es:

  1. Die Polizei darf durch einen Vollzugsbeamten, der unter einer ihm verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) eingesetzt wird (Verdeckter Ermittler), personenbezogene Daten über die für eine Gefahr verantwortlichen und andere Personen erheben, wenn
  1. dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist,
  2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen und der Einsatz zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist; der gezielte Einsatz gegen bestimmte Personen ist nur zulässig, wenn Tatsachen die dringende Annahme rechtfertigen, dass diese Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden und die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos wäre.

Der Einsatz bedarf außer bei Gefahr im Verzuge der Zustimmung der Staatsanwaltschaft.

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