Friesenhof: Warum wir Akteneinsicht brauchen

Von Sabine Boeddinghaus

Seit einigen Wochen sind zwei Einrichtungen – die Mädchencamps Nanna und Campina – des Friesenhofs geschlossen, nachdem Auflagen und eine Verfügung die Situation dort nicht ändern konnten. Der Träger hat Insolvenz angemeldet.

Schleswig-Holstein hatte schon lange keine Kinder mehr in diese Einrichtung geschickt. Ohne die rund 100 Mädchen und junge Frauen, die Hamburg seit 2007 dort untergebracht hat, wären die Camps schon lange nicht mehr ausreichend belegt gewesen. Noch zum Zeitpunkt der Schließung befanden sich zehn Hamburgerinnen in den Einrichtungen des Friesenhofes. Selbst nach Erhalt des Auflage-Schreibens im Februar 2015 durch das Landesjugendamt Schleswig-Holstein, haben vor allem die Bezirke Wandsbek und Harburg noch Mädchen in der Obhut des Friesenhofes belassen.

Hamburg hatte nach unserer Auffassung nicht die Aufsicht im Sinne der Erteilung einer Betriebserlaubnis. Dennoch hat die Sozialbehörde die Fachaufsicht, wenn bezirkliche Jugendämter Jugendliche in Einrichtungen außerhalb Hamburgs schicken. 1247 Jugendliche im Jahr geraten sonst aus den Augen und aus dem Sinn (Anfrage 21/193). Die Sozialbehörde ist vollständig für die rund 1250 jungen Menschen verantwortlich, die sie auswärtig unterbringt. Die fatalen Folgen kennen wir von der Haasenburg in Brandenburg oder der Einrichtung Schönhof in Mecklenburg-Vorpommern. Auch für die Haasenburg musste der Senat letztlich die Akten vorlegen. Doch auch damals hat der Senat lange gemauert.

Im Fall des Friesenhof ergeben sich für uns einige Anhaltspunkte dafür, dass den Hamburger Behörden schon lange – nämlich seit 2007 – Beschwerden bekannt hätten sein müssen. Das wissen wir aufgrund von Hinweisen und persönlichen Gesprächen, die wir mit betroffenen Mädchen und Mitarbeiterinnen aus Hamburger Einrichtungen und Ämtern geführt haben. Wir wollen erfahren, wo diese Beschwerden gelandet sind. Auch in Schleswig-Holstein ist das Interesse vorhanden. Dort wurde nicht nur ein Aktenvorlage- Ersuchen gemeinsam von CDU, FDP und Piraten durchgesetzt, sondern jetzt auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet.

Aber es gibt noch weitere Gründe für solch ein Ersuchen. Auf Grundlage der Anfragen zum Friesenhof und den Aussagen des Senats im Familienausschuss, wird immer deutlicher, dass es keine einheitlichen Kriterien für eine Fachaufsicht gibt. In Harburg werden Hilfeplangespräche vor Ort durchgeführt, in Wandsbek nicht. In Wandsbek gibt es eine Stelle, an der gemeldete Vorkommnisse in Einrichtungen gesammelt werden,in Harburg nicht. Es besteht die Frage, ob die Beobachtungen von Vormündern und anderen Jugendhilfeeinrichtungen ernst genommen werden und dokumentiert sind. Die von der Behörde aufgelisteten Beschwerden seit 2014 sind aus unserer Sicht unvollständig. Es fehlen vor allem Beschwerden, die vor 2014 erfolgten und von denen wir wissen. Auch die Fachbehörde müsste eigentlich ein Interesse daran haben.

Zum Schluss noch eine fachliche Anmerkung: Die Haltungen, die bisher von Fachbehörde zum strafenden Stufenvollzug in den Einrichtungen des Friesenhofes geäußert wurden, machen unsere Fraktion nachdenklich. Was kommt nach dem Friesenhof? Wie viele Kinder und Jugendliche werden noch unter öffentlicher Aufsicht misshandelt und in ihren Rechten beschnitten? Die Fraktion DIE LINKE hält vor diesem Hintergrund an der Idee einer Neuaufstellung der Jugendhilfe über den Weg einer Enquete-Kommission fest. Grüne und SPD haben das vor der Wahl gewollt. Jetzt ist nichts mehr davon zu hören.