Gefährlicher Bohrschlamm aus 100 Jahren – Senat ist ahnungslos
Um den Grund für die stark erhöhten Zahlen von Krebserkrankungen im Umkreis von Erdöl- und Erdgasförderstellen zu finden, untersucht Niedersachsen derzeit Lagerflächen für den dabei anfallenden Bohrschlamm – unter anderem direkt an der Landesgrenze zu Hamburg. Seit gut 100 Jahren wird auch auf Hamburger Gebiet Erdöl gefördert. Doch der Senat ist weitgehend ahnungslos, wo es Bohrschlamm-Verdachtsflächen geben könnte. Das ergibt die Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft (Drs. 21/4111). „Mit der Frage nach der Entsorgung von Bohrschlämmen hat sich der Senat immer noch nicht befasst“, kritisiert Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion. „Der Senat hat auch noch nicht entschieden, wie er sich zum geplanten Fracking-Gesetzespaket des Bundes positioniert. Wie will er das schaffen, wenn er sich noch nicht mal damit beschäftigt, was mit den anfallenden Abwässern und Schlämmen passiert? Und das bei einem grünen Umweltsenator, der gar noch aus einem der direkt betroffenen Bezirke stammt …“
Dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) ist nach Aussage des Senats lediglich die Schlammgrube Reitbrook an der Krapphofschleuse im Bezirk Bergedorf bekannt. Es handelt sich dabei um ein Spülfeld an der Straße Randersweide, das von 1937 bis 2015 genutzt wurde. Derzeit würde durch den Betreiber die endgültige Stilllegung dieser Schlammgrube geplant. Darüber hinaus sind in Reitbrook zwei Schlammgruben ohne konkrete Ortslage im Zusammenhang mit den Bohrungen in der Nazizeit bekannt, die 1947 beseitigt wurden.
Für den Bezirk Harburg ist dem Senat die Bohrung am Sinstorfer Weg, die seit 1962 in Betrieb ist, bekannt. Nach Aussage von AnwohnerInnen wurden Bohrschlämme auf dem Gebiet der Bohrung verbracht und später mit einer mehrere Meter hohen Deckschicht aufgeschüttet.
„Darüber hinaus liegen dem Senat angeblich keine Informationen zu Mengen und Zielorten von Bohrschlammverbringungen aus 100 Jahren Erdöl- und Erdgasförderung vor“, so Jersch. „Das ist ein gravierender Verstoß gegen die Vorsorgepflicht für die Gesundheit der Hamburger Bevölkerung. Denn warum sollten die Bohrschlämme in Hamburg weniger gefährlich sein als direkt südlich der Landesgrenze?“