HSH Nordbank – Prinzip Hoffnung
Bis Ende Oktober 2017 müssen potentielle Kaufinteressenten der HSH Nordbank ein verbindliches Kaufangebot abgegeben haben. Die Bank soll dann – zumindest nach bisherigem Plan – bis Ende Februar 2018 verkauft sein. Zumindest müssen bzw. sollen bis zu diesem Termin unterzeichnete Kaufverträge vorliegen. Der SPD-Abgeordnete Joachim Seeler, Vorsitzender des Ausschusses für öffentliche Unternehmen der Bürgerschaft, ist optimistisch: »Es gibt die begründete Hoffnung, dass es ein erfolgreicher Verkaufsprozess wird.« Das Bankmanagement rechnet weiter damit, dass mehrere Bieter ein finales Angebot abgeben werden.
Seit Monaten ist von den Bankverantwortlichen intensiv daran gearbeitet worden, innerhalb der Bank eine klare Segmentstruktur zu organisieren. Die in der Bank nach wie vor vorhandenen schlechten Risiken werden in das Segment »Abbaubank« gepoolt, die relativ gut bzw. normal laufenden Geschäfte bzw. Geschäftsfelder werden in das Segment »Kernbank« zusammengeführt. Dann gibt es seit einigen Monaten noch ein drittes Segment, genannt »Sonstige und Konsolidierung«. Dieses dient aber wohl lediglich als Interimssegment und »Parkposition«, bis die Bankverantwortlichen entschieden haben, wohin die dort geparkten Assets und Positionen transferiert werden (entweder Kern- oder Abbaubank). Die Länder als Eigentümer können hier nur zusehen.
Innerhalb der konzerninternen »Abbaubank« befinden sich per 30.06.2017 laut Halbjahresbericht nach wie vor 17,2 Mrd. Euro an nahezu wertlosen Schrottassets. Um die Bank wie geplant privatisieren zu können, müssen diese Lasten deutlich minimiert werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass von den Ländern (Haupteigner der Bank sind Hamburg und Schleswig-Holstein) zur Bankbilanzentlastung bereits für rund fünf Mrd. Euro Wertpapiere mit schlechten Risiken aufgekauft und in die extra für den Ankauf ins Leben gerufene HSH Portfoliomanagement AöR eingebucht wurden. Diese Gesellschaft hat die gleichen Probleme und muss den schlechten Forderungsbestand reduzieren, das ist der Auftrag dieser Portfoliomanagement AöR.
Neben üblichen Rückführungen für notleidende Kredite wie Tilgung und Ablösungen durch ggf. andere Banken gibt es auch die Möglichkeit der »Restrukturierung«. Innerhalb dieses Restrukturierungsprozesses von Kreditengagements erstellen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften »Fortführungsprognosen« mit dem Ziel, dass Unternehmen, die Kreditverpflichtungen bei der HSH Nordbank haben, bei teilweisem Schuldenerlass weiter existieren und somit ggf. wieder Kredite zur Rückführung und Zinszahlung bedienen können.
Kleinen »Ein-Schiff-Reedern« wird diese Möglichkeit üblicherweise weitestgehend verwehrt. Hier werden die Schiffe gepfändet, entzogen, der Verwertung zugeführt und somit für diese Reeder die Existenzgrundlage vernichtet. Die Menschen dahinter entlässt man in ein privates Insolvenzverfahren. Waren diese doch in der Regel so »dumm«, sich der persönlichen Haftung bei der Kreditgewährung zu unterwerfen.
Deutlich schlauer haben die Reeder mit den großen Kreditengagements agiert. In der Regel hat nicht ein einziger eine persönliche Haftungserklärung unterschrieben. Hier wurden über Jahre die Gewinne zwar persönlich von den dahinter stehenden »Reedern« aus den Unternehmen herausgezogen, die nun anstehenden Verluste sollen jedoch lediglich die Unternehmen tragen. Da diese jedoch von Anfang an mit marginalem Haftungskapital und üblicherweise als »GmbH & Co KG« agieren, hat insbesondere bei den nun notleidenden Schiffskrediten die HSH Nordbank das Problem und nicht die Reeder. Nennen wir es doch beim Namen: Die Bank hat sich erpressbar gemacht!
Ergebnis ist, dass es zu Schuldenerlassen wie bei MPC, bei der Reederei H. Schuld des Herrn Bernd Kortüm, oder aktuell bei Schoellers Holding kommt. Diese Namen von Kreditnehmereinheiten sind öffentlich bekannt geworden, sicherlich gibt es hier mehr Vorgänge. MPC hat von der HSH (als Konsortialführerin) 800 Mio. Euro, Kortüm von der HSH direkt 547 Mio. Euro und nun wohl auch Schoeller direkt 680 Mio. Euro an ausstehenden Krediten erlassen bekommen. Grundlage ist immer die genannte »Fortführungsprognose«, auf die sich alle stützen und die als Rechtfertigung der Schuldenerlasse dient.
Grundsätzlich fordern Banken und Sparkassen nicht nur eine »Fortführungsprognose«, sondern ein Gutachten zur Sanierungsfähigkeit des Unternehmens mit einem Testat, ob das Unternehmen in Schieflage sanierungsfähig ist.
In der Regel soll dieses Gutachten aufgebaut sein nach der »Mindestanforderung für die Prüfung und Erstellung von Sanierungskonzepten gemäß S6 vom IDW (Standard Nummer 6 vom Institut der Wirtschaftsprüfer)«. Und hier ist zu befürchten, dass rechtliche Rahmenbedingungen, die bei der HSH Nordbank zu Schuldenerlassen unterliegen, nicht konsequent berücksichtigt werden. Diese Schuldenerlasse in erheblicher Größenordnung werden zum Teil durch Garantieleistungen aus Steuergeldern etc. ermöglicht, und erfüllen sicherlich den Zweck das Volumen der notleidenden Kredite zu vermindern.
Der BGH hat in seine Rechtsprechung entschieden, dass eine Sanierungsprüfung von branchenkundigen Spezialisten eingehend und objektiv durchzuführen ist. Nur unter gewissen Voraussetzungen ist die Bank, also in diesen Fällen die HSH Nordbank, im Falle des Scheiterns einer Sanierung haftungsrechtlich geschützt. Die Prognosen müssen regelmäßig operative und strategische Unternehmensplanungen über Planungszeiträume von 3-5 Jahre in die Prognoseerstellung einfließen lassen und die Planungsergebnisse im abschließenden, möglicherweise positiven Testat berücksichtigen.
Jede Bank hat grundsätzlich das Recht, bei positiven Fortführungsprognosen Schuldteile von Kreditnehmern zu erlassen. Jede Bank trägt jedoch dann auch den monetären Schaden aus dieser Entscheidung. Bei der HSH Nordbank sieht das anders aus! Sie schreibt eine Rechnung über den Verlust aus den Krediterlassen und lässt sich die Summe von den Ländern und damit aus Steuergeldern erstatten, selbstverständlich zuzüglich entgangener Zinsen.
Darüber hinaus sind mit diesen Schuldenerlassen die Probleme für die Bank und damit für die Länder noch lange nicht erledigt. Der Fall Kortüm zeigt, dass diese Form des Schuldenerlasses im Rahmen von »Fortführungsprognosen« innerhalb von Restrukturierungen faktisch nichts bringen, außer die Verlagerung der Kreditverantwortung auf SteuerzahlerInnen. Bereits im vergangenen Jahr war, wie schon ausgeführt, der Reederei H. Schuldt (Bernd Kortüm) 547 Mio. Euro Kreditlast erlassen worden. Am 11.09.2017 berichtete das Branchenmagazin »Hansa« über die aktuelle Situation dieser Reederei mit der Überschrift »Aderlass bei Reederei H. Schuldt«. So soll von der HSH Portfoliomanagement AöR, die die Kredite im Auftrage der Länder ankaufen musste, ein Bieterverfahren einschließlich Shipmanagement für 35 Schiffe der Reederei H. Schuldt eingeleitet worden sein.
Die teure und aufwändige »Fortführungsprognose« lag also voll daneben. Erneut benötigt das Kortüm-Imperium frisches Geld, der Schuldenerlass über 547 Mio. Euro hat nicht ansatzweise zur Gesundung des Unternehmens beigetragen. Auch hier ist – eigentlich – geregelt, dass bei derartigen zeitlich viel zu nahen Folgeproblemen eine mögliche Haftung hinsichtlich Insolvenzverschleppung zu prüfen ist, und zwar nicht nur bei dem Unternehmen, sondern auch sowohl bei der Bank, die die Schuld erlassen hat, sowie insbesondere bei dem mit der Erstellung der Fortführungsprognose beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Hier tun sich berechtigte Fragen auf, die aufzuklären sind.
- Warum lag diese Fortführungsprognose so daneben?
- Wie kann es sein, dass nach kaum einem Geschäftsjahr das Unternehmen erneut in Schieflage ist?
- Aus welchem Grund vertrauen sowohl die Bank als auch die Portfoliomanagement AöR immer noch auf gleichgelagerte Fortführungsprognosen, um weitere – riesige – Schuldteile anderer Kreditnehmer zu erlassen?
- Warum nimmt man diese Reeder nicht als Voraussetzung für einen Teilschuldenerlass in persönliche Haftung?
Aufklären und Antworten erhalten kann hier nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der sich mit den nebulösen, völlig intransparenten und öffentliches Vermögen belastenden Vorgängen beschäftigt und Akteneinsicht erhält. Die üblichen Möglichkeiten der Bürgerschaft, Antworten über das parlamentarische Instrument einer »Schriftlichen Kleinen Anfrage« oder in Fachausschüssen zu erhalten, reichen hierzu schon lange nicht mehr. Entsprechende Anfragen der Abgeordneten werden entweder nicht ausreichend oder schlichtweg gar nicht beantwortet, bzw. vollkommen abgebügelt.
Es kann nicht sein, dass ausschließlich SteuerzahlerInnen das Risiko aufgebürdet bekommen und die Zeche dieses über Jahre ungehindert und nahezu unbegrenzt erfolgten Monopolyspiels zahlen müssen. Die Gewinne wurden privatisiert, die Verluste werden nun – Schritt für Schritt – der Allgemeinheit zur Last gelegt.
Die traurige Konsequenz: Durch die gezogenen Garantieleistungen und den Ankauf von notleidenden Kreditpapieren stiegen die Schulden von Hamburg und Schleswig-Holstein. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stieg die Verschuldung der Hansestadt zur Jahresmitte gegenüber dem 30. Juni des Vorjahres um 7,3% auf 32,2 Mrd. Euro. In Schleswig-Holstein legte sie um 4,6% auf 28,8 Mrd. Euro zu. Der Hauptgrund: der kreditfinanzierten Ankauf von faulen Schiffskrediten der HSH Nordbank.
Weit über den Fall HSH Nrdbank hinaus ist dieses Kapitel der Kapitalvernichtung infolge der Schifffahrtskrise noch längst nicht abgeschlossen. Mehrere Banken in Deutschland kämpfen darum, ihre notleidenden Schifffahrtsportfolios loszuwerden. Denn im Zuge der Schifffahrtskrise – also vor gut zehn Jahren – kippte das bisherige Geschäfts- und Finanzierungsmodell für den Kauf oder Bau von Schiffen durch Bankenkredite und den teils dubiosen Vertrieb von geschlossenen Schiffsfonds. In Deutschland hatten 450.000 Anleger Kapital in Schiffsfonds mit langen Laufzeiten investiert, um Anteile an Containerschiffen, Tankern und Massengutfrachtern zu erwerben. Hinter den mehr als 600 Schiffs-Insolvenzen steht ein geschätzter Totalverlust von 50 Mrd. Euro von Anlegern und Banken. Solange der Welthandel Jahr für Jahr wuchs, funktionierte das Modell. Die Anleger freuten sich über zweistellige Renditen, noch mehr freuten sich die Fondsverkäufer über die Provisionen. Die HSH Nordbank stieg auf zum weltgrößten Schiffsfinanzierer.
Das An- und Verkaufs-Geschäft mit Bulkern und Containerschiffen ist nahezu erstarrt. Sowohl langjährige Marktteilnehmer als auch in den letzten Jahren neu für die Industrie gewonnene Private-Equity-Investoren halten sich mit neuen Engagements zurück. Fällige Charterverträge werden entweder nicht verlängert oder nur zu neuen, deutlich niedrigeren Sätzen angeboten. Schiffe auf wichtigen Hauptrouten (z.B. Asien-Europa) fahren mit reduzierten Mengen. In Hamburg z.B. wurden zuletzt knapp 10% weniger Container umgeschlagen als im Jahr zuvor, was mit dem geringeren Wirtschaftswachstum in China, aber auch mit den Sanktionen für Russland und der Ukraine (Krim) zusammenhängt. Die weltweit größte Container-Reederei Maersk wird in den kommenden Jahren bis zu 4.000 Stellen streichen.
Die Bewältigung dieser Krise wird die deutschen SteuerzahlerInnen noch Milliarden Euro kosten wird, weil ein Teil der Kredite eben an die öffentliche Hand weitergereicht wurde. Es geht in dieser Geschichte um das Geschäft der Reeder und um staatliche Banken. Und am Ende geht es um einen der teuersten Skandale der Zeit. Heute sind die Reedereien mehr denn je darauf angewiesen, Finanzinvestoren für ihre Geschäfte zu gewinnen. Im nächsten Jahr laufen zahlreiche neue Großschiffe vom Stapel, die das Überangebot trotz vorzeitiger Verschrottungen noch verschärfen werden. Ein Ende der Schifffahrtskrise ist nicht in Sicht.
Noch immer kämpfen viele schiffsfinanzierende Banken mit ihren Kreditportfolien. Der interne und regulatorische Druck, diese »non-performing-loan-Portfolien« abzubauen, steigt, und führt dazu, dass immer mehr Schiffe bzw. die dahinter stehenden Kredite mit deutlichen Abschlägen von den Banken selbst oder auf Druck dieser Banken verkauft werden müssen (»distressed sales«). Das dürfte den Druck auf Schiffswerte zumindest vorerst noch weiter verstärken und potentielle Investoren eher abwarten lassen. Die HSH Nordbank war und ist ein eher schlechter geführtes Geldinstitut. Insofern ist die These vom Prinzip Hoffnung in diesem Bereich eher das übliche Sonntagsgerede.
Foto: Fraktion Die Linke