Die HSH Nordbank

HSH-Nordbank – Verpflichtungen zu Lasten der Steuerzahler

von Joachim Bischoff und Norbert Weber

Nach den sich in den letzten Wochen überschlagenden Nachrichten und Meldungen zur HSH Nordbank ist es seit Tagen erstaunlich ruhig geworden. Wird also alles gut?

Vermutlich in dieser Woche, spätestens Ende Juni, soll die Bürgerschaft über eine weitere Kreditaufnahme über 2,95 Mrd. Euro beschließen, die der HSH Finanzfonds AöR überwiesen werden soll. Den identischen Betrag hat das Bundesland Schleswig-Holstein bereits vor einigen Wochen durch das Parlament gebracht. Aus welchem Grund soll nochmals Kapital nachgeschossen werden?

Am 28. Februar 2018 haben die Länder den Verkauf bzw. die Privatisierung der operativen »Rest«Bank unterschrieben. Seit dem 1. März 2018 läuft eine sogenannte Closing-Phase, in der die abschließenden Vertragsbedingungen getroffen werden und diverse Voraussetzungen zu erfüllen sind.
Diese sind:

  •  Es sind Genehmigungen der Wettbewerbsbehörden in Deutschland und Österreich einzuzholen.
  • Die zuständigen Bankenaufsicht (EZB), die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie der Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF Luxemburg) müssen zustimmen.
  • Die europäische Kommission soll den Erwerb nach Rentabilitätesprüfung der geplanten neuen Unternehmensstruktur genehmigen.
  • Der deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) hat bestätigt, dass die HSH-Nordbank für drei weitere Jahre nach dem Vollzug des Anteilskaufvertrages (Closing) die uneingeschränkte Mitgliedschaft im Institutssicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe fortsetzen kann.
  • Die HSH-Finanzfonds AöR muss einen finalen Abrechnungsbericht über die von der HSH Finanzfonds AöR gewährte Zweitverlustgarantie vorlegen
  • Schließlich müssen die Bieter den jeweils auf sie entfallenden Kaufpreisanteil zum Vollzugstag entrichten.

Einige dieser Voraussetzungen sind bereits erfüllt wie

  • die Zustimmung der beiden Länderparlamente Hamburg und Schleswig-Holstein
  • die Satzungsänderung des DSGV, dass die HSH Nordbank die notwendigen drei weiteren Jahre im Sicherungssystem der Sparkassen verbleiben und vollen Schutz genießen kann.

Zu vermuten ist, dass die noch fehlenden Voraussetzungen ebenfalls folgen werden, denn die eigentlichen Risiken sind ja bereits von den beiden Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein übernommen worden.
Dazu gehören:

  •  Die Errichtung der HSH Finanzfonds AöR im Eigentum der Länder, die bereits in 2009 einen Eigenkapitalnachschuss über drei Mrd. Euro zu Lasten der Länder fremdfinanzieren musste und die Garantie über 10 Milliarden Euro stellte. Im Zuge der Beendigung des zweiten EU-Beihilfeverfahren zum Jahreswechsel 2015/2016 ist die FinFo mit einer weiteren Kreditlinie über 10 Milliarden Euro ausgestattet worden.
  • 2016 die Errichtung der HSH Portfolio-Management AöR, die der HSH Nordbank Schrottkredite aus Schiffsfinanzierungen über etwa fünf Mrd. Euro abkaufen musste. PwC hatte einen »Marktpreis« über 2,4 Milliarden Euro »geschätzt«, den die HSH Portfolio-Management AöR aus der ihr gewährten Kreditlinie über 4,9 Milliarden Euro zahlen musste. Der Differenzbetrag über 2,6 Milliarden Euro wurde von der HSH Finanzfonds AöR zu Lasten der Ländergarantie an die HSH Nordbank überwiesen.
  • 2016 die Errichtung der HSH Beteiligungsmanagement GmbH als Tochter der HSH Finanzfonds AöR, die mit der Umsetzung des Verkaufes der HSH betraut wurde und gleichzeitig der HSH Nordbank die Garantieprovisions-Verpflichtungen (ebenfalls zu Lasten der Länder und damit aus Steuergeldern) abnehmen musste. Im Rumpfgeschäftsjahr 2016 wies die HSH Beteiligungsmanagement GmbH bereits einen Verlust über 2,65 Mrd. Euro aus. Laut Ankündigung im Geschäftsbericht 2016 sollten weitere 3,5 Milliarden Euro an Belastungen aus der übernommenen Verpflichtung zur Zusatzprämie folgen.

Durch die Privatisierung wird nun alles anders. Die HSH Beteiligungsmanagement GmbH soll schnellstens abgerechnet und geschlossen werden, gleiches soll mit der HSH Finanzfonds AöR erfolgen. Der Senat will das Thema beendet wissen und wohl aus dem in den kommenden zwei Jahren folgenden Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl heraus halten. Die Senatslösung sieht vor, der HSH Beteiligungsmanagement die Leistungen aus den Garantieverpflichtungen zu erlassen. Die Gesellschaft selbst hat in ihrem Geschäftsbericht 2017 bereits vollendete Tatsachen geschaffen und ihre entsprechenden Rückstellungen aufgelöst.

Übrig bleibt dann noch die HSH Portfoliomanagement AöR (laut dem ehemaligen Finanzsenator, jetzt erstem Bürgermeister Tschentscher wird die Gesellschaft noch etwa 10 Jahre weiter bestehen) und die HSH Finanzfonds AöR. Die vorgesehene Schließung dieser HSH Finanzfonds AöR wird noch richtig teuer werden, trotz weiterer Überweisungen aus Hamburg und Schleswig-Holstein über jeweils 2,95 Milliarden Euro.

Rein rechnerisch verbleibt ein Restsaldo zu Lasten der beiden Bundesländer über sechs Milliarden Euro. Die Aussagen von Finanzsenator Dressel, die nun erfolgende Überweisung über 2,95 Milliarden Euro sei »zügig, transparent und vermögensschonend« und als Schlussrechnung zu sehen, klingt da wie Hohn. Spätestens Ende des Jahres wird die Bürgerschaft nochmals über weitere drei Mrd. Euro Kreditaufnahme entscheiden müssen, sollte tatsächlich gleichfalls eine Schließung der HSH Finanzfonds AöR erfolgen.

Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, dass die Länder haben der Bank Garantieprovisionsverpflichtungen über mindestens fünf Mrd. Euro aus Basis- und Zusatzprämie erlassen haben. In der Senatsargumentation wird diese Tatsache gerne weggelassen.

Und die HSH-Nordbank?

Die Bank macht nun weiter, als wäre nichts gewesen: Einen Tag nach dem Bürgerschaftsbeschluss zur Privatisierung kommt die HSH-Nordbank mit der Meldung raus, in den nächsten fünf Jahren bestehende Schiffskredite über 3,5 Milliarden Euro von anderen Banken aufkaufen zu wollen. Diese Nachricht irritiert, zumal es bei Primärbanken in der deutschen Bankenlandschaft absolut unüblich ist, Kredite anderer Banken »aufkaufen« zu wollen. Das ist Hedgefonds-Manier!

In der vergangenen Woche hat die HSH zudem ihren Quartalsabschluss per 31. März 2018 veröffentlicht. Der ausgewiesene Verlust über etwa 60 Millionen Euro (nach einem Gewinnausweis im vergleichbaren Vorjahreszeitraum über 128 Millionen Euro) war wenig überraschend. Einerseits greift nicht mehr die Hebel- und Schutzwirkung der Ländergarantie über 10 Milliarden Euro, andererseits schiebt die Bank die Verantwortung für den auszuweisenden Verlust auf den einmaligen Aufwand im Zusammenhang mit der vorzeitigen Garantieauflösung. Laut EU-Auflage muss die Bank 100 Millionen Euro an die ländereigene Finanzfonds AöR überweisen.

Interessanter ist eher das Buchungsgebaren der HSH Nordbank im Zusammenhang mit der Umstellung im ersten Quartal 2018 von IAS 39 (International Accounting Standard 39) auf IFRS 9 (International Financial Reporting Standard 9 Finanzinstrumente).
Der alte Bewertungsstandard IAS 39 sollte eigentlich nur eine Übergangslösung sein, Banken konnten jedoch bis Ende 2017 damit arbeiten. Es basiert grundsätzlich auf einem sogenannten mixed Model der Bewertung, enthielt sowohl Elemente der Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten sowie auch Elemente der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value). Banken wie die HSH Nordbank bevorzugten diesen alten Standard, da der neue Standard IFRS 9 deutlich strengere Bewertungsregeln beinhaltet, insbesondere im Umgang mit Wertberichtigungen.

Der alte Standard schaffte deutlich mehr Gestaltungsspielraum. Die HSH hätte mit dem neuen Standard bereits zum Jahreswechsel 2015/2016 (Zeitpunkt der erneuten Rettung der Bank aus Steuergeldern) fahren können, hat sie aber nicht. Den Zahlen nach war schlichtweg der Grund, dass die Bank seit Jahren noch nicht einmal ihre Abschreibungen verdienen konnte. Eines der aus Ländersicht fatalen Ergebnisse daraus war, dass die Bank viel zu hohe Buchwerte ihrer Bestände in ihren Büchern hat.

Anders ausgedrückt: Wären die Assets/Finanzinstrumente der HSH Nordbank bereits zum Zeitpunkt des erzwungenen Ankaufs von Schrottkrediten durch die ländereigene HSH Portfolio-Management AöR zum deutlich strengeren IFRS 9-Standard bewertet gewesen, hätten die Buchwerte der Assets deutlich näher dem Marktwert entsprochen. Nach den kaufmännischen Grundsätzen »Bilanzklarheit« und »Bilanzwahrheit« wären diese vermutlich mit dem ermittelten Marktwert über 2,4 Milliarden Euro identisch gewesen. Die Bank hätte einen Mittelzufluss aus dem Kreditankauf über maximal  2,4 Milliarden Euro (Marktwert laut PwC-Gutachten) erlöst, die Länder hätten deutlich weniger für die Kreditübernahmen zahlen müssen. Bekanntlich mussten die Länder jedoch fünf Mrd. Euro an die Bank überweisen (2,4 Milliarden Euro Kaufpreis laut Marktwertgutachten zzgl. 2,6Milliarden Euro aus Ländermitteln bis zur Höhe der bilanzierten Buchwerte in der Bank).
Jede/r Interessierte kann vorgenanntes im Quartalsbericht Q1/2018 nachlesen. U.a. auf Seite 3 der Finanzinformation sind unter »Kompensationsposten FVPL-kategorisierte Finanzinstrumente aus Zweitverlustgarantie« 3,432 Milliarden Euro aktiviert worden. Die Bank hat im Q1-2018 erstmals nach dem neuen Standard IFRS 9 gebucht und somit bewerten müssen.

Zudem hat die Bank, vermutlich vorbereitend auf die notwendige Umstellung des Bewertungsstandards, bereits zum Jahresabschluss 2017 ungewöhnlich hohe Barreserven gebildet (6,625 Milliarden Euro gegenüber 3,491 Milliarden Euro zum vergleichbaren Vorjahreszeitpunkt). Im Offenlegungsbericht per 31.12.2017 gemäß Teil 8 CRR finden wir sogar noch deutlich höhere liquide Vermögenswerte. Die Position »hochwertige liquide Vermögenswerte insgesamt (HQLA)« weist zum 31.12.2017 einen gewichteten Gesamtwert über 16,072 Milliarden Euro aus.

Seit Jahren weisen wir auf die Buchungsgebaren der HSH-Nordbank-Verantwortlichen hin. Dass die Bank für diese Buchungsgebaren letztendlich zu Lasten von Steuergeldern auch noch derart belohnt wird und die Länder auch noch auf 3,6 Mrd. Euro an durch ehemals eingegangene Gewährträgerhaftung unterlegte Refinanzierungen und Pensionsverpflichtungen sitzen lässt, ist in hohem Masse unanständig!

 

Dieser Text ist zuerst auf „Vorort Links“ erschienen.