Integrationsgesetz: Rechter Populismus in Anwendung
Integrationsverhinderung von oben
Am 3. Juni 2016 soll ein sogenanntes Integrationsgesetz in die erste Lesung in den Bundestag. Bereits als im April Eckpunkte des Entwurfs bekannt wurden, hagelte es Kritik, denn mit dem Integrationsgesetz will die Bundesregierung vor allem Zwang und Sanktionen stärker im Asylrechtssystem etablieren. Neben einigen wenigen positiv zu bewertenden Neuerungen, wie z.B. der Möglichkeit schon nach 15 Monaten Aufenthalt Ausbildungsbeihilfe zu beantragen oder einer Einschränkung der Vorrangprüfung beim Arbeitsmarktzugang, werden die beantragten Maßnahmen das Leben Geflüchteter in Deutschland weiter erschweren.
Viele Neuerungen sind im Bereich Arbeitsmarktpolitik angesiedelt, doch was von CDU und SPD perfiderweise mit Worten wie „Integration durch Arbeit“ und „fördern und fordern“ abgefeiert wird, ist in Wirklichkeit die erweiterte Anwendung des Hartz-IV-Systems auf Geflüchtete. So sollen 100.000 Ein-Euro-Jobs für Geflüchtete in Aufnahmelagern geschaffen werden. Dabei wird die Aufwandsentschädigung von 1,05 auch noch auf 0,80 Euro abgesenkt. Damit wird im Wesentlichen sozialen Unternehmen als Betreibern von Flüchtlingslagern ein Geschenk gemacht. Dort, wo der Betrieb in der Hand von sozialen Unternehmen ist (wie in vielen Bundesländern), werden diesen quasi kostenfreie Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt; dort, wo der Staat selber oder staatliche Unternehmen Betreiber ist (die meisten Unterkünfte in Hamburg), profitieren die Länderhaushalte. Geflüchtete werden zwangsweise ausgebeutet, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichtet und der Mindestlohn umgangen.
Keine Wahlfreiheit bei Arbeit und Wohnort
Wenn Geflüchtete diese sogenannten Arbeitsgelegenheiten nicht wahrnehmen, drohen ihnen Sanktionen in Form der Absenkung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Bundesregierung schert sich also erneut einen feuchten Kehricht um das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das Leistungseinschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes mit der Feststellung untersagt hatte, dass die Menschenwürde nicht migrationspolitisch zu relativieren sei. Sanktionen können ebenfalls drohen, wenn Integrationskurse nicht besucht werden.
Eine weitere massive Verschlechterung ist, dass die Wohnsitzzuweisung, die bislang nur während des Asylverfahrens galt nun auch auf anerkannte Geflüchtete angewendet wird. Dass die weitere Errichtung von Hürden zur Erlangung der Niederlassungserlaubnis extrem integrationshemmend wirken werden, kann einfach nicht bestritten werden: Wer jahrelang nur auf Abruf in einem Land geduldet wird, wem der Wohnort vorgeschrieben wird, wem der Arbeitsplatz verordnet wird, der oder die wird kein positives Verhältnis zu dem Land und seinen Behörden aufbauen können.
Es ist nicht mal ein Jahr her, dass im Bundestag das „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ beschlossen wurde. Auch hier wurde um Zustimmung geworben, indem hervorgehoben wurde, dass man eine Ausbildung zukünftig als Duldungsgrund akzeptieren wolle. Dasselbe Argument wird nun auch hier wie ein Heilsversprechen vor sich hergetragen, dabei wird lediglich die Gruppe der Über-21-Jährigen in die Regelung hineingenommen.
Kritik von Hilfsverbänden und Fachleuten
PRO ASYL, der Rat für Migration, die Diakonie, der Paritätische und über 100 WissenschaftlerInnen kritisierten das Integrationsgesetz in einem „Brandbrief an die Bundesregierung“ massiv und bezeichneten es als Integration-verhindernd. Die Wohnraumzuweisung widerspreche den Erkenntnissen der Migrationsforschung, missachte das Freizügigkeitsrecht der Menschen, zudem widerspreche es Art. 26 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sowie Art. 33 der EU Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU). Zudem werde der Eindruck vermittelt, dass seitens der Geflüchteten keine Integrationsbereitschaft bestehe, was in keiner Weise den Tatsachen entspräche, denn im Gegenteil übersteige die Nachfrage an Integrationsangeboten das Angebot erheblich.
In der Gesamtschau lässt sich sagen, dass das Integrationsgesetz ein weiterer Schlag ins Gesicht alle Schutzsuchenden ist und ein Hohn für die gelebte Willkommenskultur von hunderttausenden Engagierter. Gleichzeitig ist es ein Kniefall vor den Rechtspopulisten, aber ganz in der Tradition schwarz-roter Flüchtlingspolitik.