Plenarprotokoll 20/78: Die Quartiers- und Stadtteilbeiräte erhalten und verstetigen!

Heike Sudmann DIE LINKE:* Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel unseres Antrags ist sehr einfach zu beschreiben. Wir wollen, dass das Engagement der Bürger und Bürgerinnen im Quartier und im Stadtteil nicht nur erhalten bleibt, sondern auch ausgebaut wird. Das ist ein großartiges Potenzial, da sind wir uns alle einig. Engagierte Bürgerinnen und Bürger sind toll, wir wollen sie weiterhin haben, und dieses Potenzial müssen wir nutzen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Dr. Roland Heintze CDU)

– Herr Heintze will sie nicht haben? Das erstaunt mich jetzt.

(Dirk Kienscherf SPD: Der hat ja seinen Stadtteilfonds!)

Gestern wollten wir keine Pseudobeteiligung haben mit einem Bürger/-innenhaushalt, der kein Bürger/-innenhaushalt ist. Und eines wollen wir auch nicht haben, deshalb ist es sehr gut, dass Sie es ansprechen, Herr Heintze. Alle Fraktionen sagen, sie fänden das toll und sprechen ihr Lob aus – die SPD braucht dafür drei Seiten im Änderungsantrag, die CDU nur zwei –, aber wenn es um die harten Sachen, ums Thema Geld geht, dann sagen Sie, Ihre Taschen seien verschlossen, das machten Sie nicht. Das finden wir falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir von Beteiligung reden, ist das sehr vielfältig.

(Dirk Kienscherf SPD: Immer mehr!)

Es gibt die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung bei Bebauungsplanverfahren und Feststellungsverfahren, und es gibt Beteiligungen für einzelne Projekte. Wenn Sie einmal in die neue Broschüre der BSU gucken, finden Sie ganz viele Beteiligungsverfahren, sei es zur Neuen Mitte Altona, zum relativ alten Messehallenverfahren oder etwas zur Stadtwerkstatt mit Einzelthemen. Aber Sie werden feststellen, dass diese Beteiligungsformen alle etwas gemeinsam haben. Sie sind zeitlich begrenzt, 

(Hans-Detlef Roock CDU: Irgendwann muss das ja mal abgeschlossen werden!)

und sie drehen sich in der Regel um ein Thema. Ganz anders ist es aber bei der Arbeit, die Sie vor Ort in den Quartiersbeiräten, Stadtteilbeiräten und Sanierungsbeiräten finden. Dort wird umfassend bearbeitet, was im Stadtteil, im Quartier oder im Sanierungsgebiet ansteht, sei es aus dem Bereich Soziales, Wirtschaft oder Umwelt. Das machen zurzeit in Hamburg gut 50 Beiräte. Regelmäßig treffen sich über 1000 Menschen in diesen Beiräten und bringen ihre Erfahrung und ihr Wissen, Lust und auch total viel Zeit ein. Das ist super. Da kann man auch einmal klatschen, den Leuten danken und sagen, toll, macht weiter.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Melanie Leonhard SPD)

Nun kann man sich fragen, warum wir noch andere Strukturen und auch Geld haben wollen. Die Antwort darauf ist relativ einfach, wenn Sie sich überlegen, was alleine die inhaltliche Arbeit an Zeit kostet. Das sehen Sie auch hier in der Bürgerschaft, wenn Sie Drucksachen lesen müssen, wenn Sie sich schlau machen müssen, wenn Sie Informationen heranholen müssen und sich überlegen müssen, welche Expertinnen und Experten Sie ansprechen können. Dann merken Sie schnell, wie viel Arbeit das ist. Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Sie hätten keine Bürgerschaftskanzlei, Sie würden nicht automatisch die Drucksachen bekommen, Sie müssten alles noch selbst kopieren und Sie hätten keinen Sitzungsraum hier, weder heute noch für die Ausschüsse.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Mitarbeiter auch!)

– Über die Mitarbeiter will ich gar nicht reden. Wenn Sie das alles nicht hätten, dann würden Sie auch sagen: Leute, macht euren Bürgerschaftskram doch alleine, das geht nicht. Genauso geht
es vielen Beiräten. Die sollen nicht nur inhaltlich arbeiten, sondern auch ihre Protokolle schreiben, die Verteilerlisten pflegen, die E-Mail-Adressen immer erneuern, die einige Leute sehr häufig wechseln, Räume buchen und Kontakte pflegen; das gehtnicht. Wenn Sie das von Leuten, die sich ehrenamtlich engagieren, verlangen, dann werden die irgendwann sagen, das machten sie nicht mehr, und das wollen wir verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen wollen wir, dass die vorhandenen Beiräte weiter ihr Geld bekommen, die Strukturen weiter erhalten bleiben und neue Beiräte entstehen können. Und wir finden, dass das Geld dafür von der öffentlichen Hand kommen muss.

(Dirk Kienscherf SPD: Immer!)

– Aber natürlich, es ist sehr gut investiertes Geld. Auch die SPD – Herr Kienscherf fängt gerade schon an, sich etwas warmzulaufen – ist natürlich voll des Lobes für die Beiräte, aber sie sollen
nichts mehr kosten. Was Sie machen, finde ich sehr bedenklich. Im Grunde genommen sagen Sie, man könne die Beiräte auch privatisieren. Sie schreiben in Ihrem langen Text –wir waren Ihnen so viel wert, dass Sie uns zwei Seiten Text zu unserem Antrag geschickt haben –,

(Dirk Kienscherf SPD: Das muss alles hergeleitet werden!)

Sie hätten bereits gute Erfahrungen gemacht, die Wirtschaft oder Stiftungen könnten Beiräte finanzieren. Ich sehe schon zukünftig die Empfehlungen der Beiräte, unter denen steht: Diese Empfehlung wurde gesponsert by Körber-Stiftung, by Beiersdorf oder by Bertelsmann Stiftung.

(Christiane Schneider DIE LINKE: By HSV!)

– HSV meinetwegen auch oder St. Pauli. Leute, das geht zu weit. Wir wollen eine unabhängige Beiratsarbeit haben.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das entspricht nicht Ihrem Antrag!)

So kann man mit dem Thema nicht umgehen. Sie können nicht sagen, man sei ein bisschen schwanger, aber es komme nicht zur Geburt. Das heißt, Sie wollen einfach nicht das Geld dafür geben, damit die Beiräte bleiben können.
Genauso verhält sich auch die CDU. Sie sagen im Vortext Ihres Antrags sehr schön – es gibt zwei Änderungsanträge zu unserem Antrag, wir haben ein wichtiges Thema aufgegriffen, alle finden es toll, aber niemand will, dass wir damit durchkommen –, die Beiräte seien ein wichtiger Beitrag zum ehrenamtlichen Engagement. Das finde ich auch. Dann sagen Sie aber, Sie wollten einen kleinen Rahmen zur hauptamtlichen Beteiligung und einen kleinen Verfügungsfonds. Was ist das denn? Das ist auch wieder so ein bisschen schwanger. Entweder wollen Sie, dass es richtig Geld gibt, oder Sie sagen: Leute, macht doch ehrenamtlich weiter.
Zusammengefasst: Wer das ehrenamtliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt nicht nur erhalten, sondern ausbauen will, darf nicht sagen, wie es die SPD am Ende hier tut, man wolle das erst einmal prüfen lassen, die beauftragten Quartiersentwickler und -entwicklerinnen sollten einmal darstellen, was sie tun würden, wenn die Fördergebiete ausliefen, man wolle schauen, was die Bezirke weiter planten und sich das dann alles irgendwann einmal vorstellen lassen. Das ist uns zu wenig, deswegen bitten wir Sie darum, den Antrag der Links-Fraktion zu unterstützen oder wenigstens zur Diskussion an den Stadtentwicklungsausschuss zu überweisen. Da können wir uns noch einmal richtig fetzen.

(Beifall bei der LINKEN)