Plenarprotokoll 20/82: ÖPNV-Strategie Hamburg 2030: Bahn frei für den langfristigen Schienenverkehrsausbau

Heike Sudmann DIE LINKE:* – Vielen Dank. Mal sehen, wie lange die Sonne noch anhält. Es wäre vielleicht ganz gut, um ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Wir haben eigentlich eine sehr gute Situation. Wir streiten uns nicht darum, dass der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut werden soll, da sind wir alle einer Meinung,

(Olaf Ohlsen CDU: Natürlich!)

sondern wir streiten uns darum, wie er ausgebaut werden soll. Was ich in der Debatte eben komplett vermisst habe, war der ganz zarte Hinweis von irgendeinem Redner, dass wir die U-Bahn auch nicht umsonst bekommen; sie ist wesentlich teurer. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Ich fange mit einem Zitat an: „Eine moderne Stadtbahn ist machbar.“ Ich werde später noch einmal sagen, woher das Zitat kommt und von wem. Sie können sich schon einmal überlegen, wer gleich ein bisschen klatschen muss.
Die Stadtbahn ist heute notwendig und auch notwendiger, als sie vor 10 oder 15 Jahren war. Wir haben volle U-Bahnen, volle S-Bahnen und volle Busse.

(Finn-Ole Ritter FDP: Volle Straßen!)

Das ist einerseits gut, erhöht aber die Qualität der Beförderung sicherlich nicht. Wir haben eine Umweltbelastung durch den Autoverkehr, die wir bis heute nicht in den Griff bekommen haben. Das heißt, wir brauchen Alternativen, wenn wir auch nur ansatzweise irgendwelche CO 2 -Ziele erreichen wollen. Und wir haben, leider immer noch, fehlende Anbindungen von Großwohnsiedlungen und fehlende Querverbindungen. Also können wir feststellen: Wir brauchen eine Verkehrsentwicklungsplanung, die alle Möglichkeiten mit einbezieht, und damit eben auch die Stadtbahn.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Till Steffen GRÜNE – Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

– Genau, ich habe extra eine Pause gelassen, das Zitat war nur der eine Satz. Danke, Herr Wersich. Jetzt kommen wir zu dem Zitat. „Eine moderne Stadtbahn ist machbar.“ – Zitatende. Mit diesem Satz wirbt Bausenator Eugen Wagner in der neuen Verkehrsentwicklungsplanung für die Wiedereinführung der Stadtbahn. Herr Scholz ist gerade nicht da, dies nur zur Erinnerung: Herr Voscherau, der damalige Bürgermeister, hat es auch mitgetragen. Und Herr Wagner hat etwas gesagt, das vor 1999 genauso stimmte wie heute. Er hat nämlich gesagt, weil der S- und U-Bahn-Bau nicht bezahlbar sei, sei die Stadtbahn eine realisierbare Alternative. Das gilt heute genauso. Und wenn der Erste Bürgermeister jetzt sagt, er würde Aufträge herausgeben und 30 neue Strecken planen lassen, dann wird das Geld kosten. Dann werden Sie irgendwann einmal eine Wirtschaftlichkeitsberechnung machen müssen, mit welchem Geld Sie am meisten erreichen können, und das wird nicht das Geld für den U-Bahn-Bau sein. Aber nicht nur die SPD ist unglaubwürdig, sondern auch die CDU, mein lieber Herr Hesse, ist ein bisschen unglaubwürdig.

(Dietrich Wersich CDU: Nur DIE LINKE ist glaubwürdig!)

– Herr Wersich, Herr Hesse sprach vorhin von einer Sackgasse. Mein Gefühl ist, dass Ihre Sackgasse einen Namen hat, auf dem Stadtbahn steht. Mal fahren Sie hinein und sagen, Sie wollten keine Stadtbahn, dann drehen Sie wieder um, haben ein bisschen Erkenntnisse gewonnen und wollen doch eine bauen. Insofern sind Sie unglaubwürdig, aber Ihr Antrag ist richtig. Ich weiß nicht, wie lange Sie zu dem Antrag stehen werden, aber DIE LINKE wird auf jeden Fall diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso werden wir auch dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Aber jetzt kommen wir zum SPD-Antrag. Herr Kienscherf rief mir eben noch zu, dass die SPD doch einen guten Antrag gemacht hätte und ich das loben solle. Herr Kienscherf, Sie haben einen Antrag gestellt…

(Dietrich Wersich CDU: Für die Realität der SPD war das zutreffend!)

– Danke, diesen Hinweis nehme ich gern auf, Herr Wersich. Wenn ich weiterreden darf, Herr Wersich, zitiere ich Ihnen gern etwas. Für Ihren Maßstab, liebe SPD, mag das zutreffen. Sie haben nämlich in diesem Antrag alles wiederholt, was im Mobilitätsprogramm steht. Das ist doch schon beschlossen, der ganze Ablauf ist beschlossen worden, und Sie versuchen gerade, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Darauf fallen zumindest wir nicht herein, und ich glaube, die anderen auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der CDU und bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

Ich glaube, die Druckfarbe des Mobilitätsprogramms war noch nicht ganz getrocknet, da kam der Bürgermeister mit seiner Idee, eine neue U-Bahn zu planen. Das stand überhaupt nicht in dem Programm. Das heißt, Sie trauen Ihrem eigenen Programm nicht. Das Einzige, was Sie in diesem Antrag haben, ist, dass Sie alles abgeschrieben haben. Sie sagen in dem Antragstext nicht,
dass Sie keine Stadtbahn haben wollen, Sie sprechen – das hat Herr Steffen schon sehr gut ausgeführt – von Schienenverkehr. Mir fällt, ehrlich gesagt, nur eine einzige Beschreibung zu Ihrem Antrag ein. Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein. Und das ist hier wirklich der Fall.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde es erstaunlich, dass sich gerade die anderen darüber aufregen. Aber die SPD nimmt das gelassen als Kritik hin.

(Zuruf von Arno Münster SPD)

– Herr Münster, vielleicht interessiert Sie, was Bürger und Bürgerinnen sagen.

(Glocke)

Ich habe nicht verstanden, was Herr Münster gesagt hat.

Vizepräsidentin Kersten Artus (unterbrechend):
Herr Münster soll auch nicht verstanden werden. Herr Münster möge bitte still sein wie auch die anderen im Plenum und der Rednerin zuhören.
(Dirk Kienscherf SPD: Aber vorher war das ein bisschen unparlamentarisch! – Olaf Ohlsen CDU: Selbst wenn sie ein hübsches Kleid anhat, geht das nicht! – Glocke)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Bürgerschaft! Ich bitte Sie herzlich darum, aufmerksam zu sein und der Rednerin zuzuhören. – Frau Sudmann, fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort.

Heike Sudmann DIE LINKE (fortfahrend): – Ich versuche jetzt, weiterzureden, denn meine Redezeit ist nicht mehr so lange. Herr Ohlsen, wenn Sie etwas innehalten, dann können Sie jetzt noch einmal zuhören, was Bürger und Bürgerinnen sagen. Ich habe hier den offenen Brief der Stadtteilkonferenz Bramfeld an den Ersten Bürgermeister – ich begrüße Sie, schön, dass Sie da sind, Sie haben ihn bestimmt auch schon gesehen – und zitiere zwei Abschnitte: „Seit mehr als fünf Jahrzehnten wird den Menschen in Bramfeld von den Regierenden aller Parteien eine U-Bahn versprochen – gehalten wurde bisher nichts.“ Klammer auf: Das war überwiegend die SPD. Die Stadtteilkonferenz schreibt weiter: „Herr Bürgermeister, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass nicht nur die lokale Politik in den betroffenen Stadtteilen, sondern auch große Teile Ihrer Bürgerschaftsfraktion, Ihrer Bezirksfraktion in Wandsbek sowie der SPD insgesamt für die Stadtbahn sind und das auch immer öffentlich bekundet haben.“
Recht haben sie. Ich frage mich, darum die SPD-Fraktion nicht intern dazu steht, sondern einen Antrag vorlegt, der genau das nicht beinhaltet.

(Beifall bei der LINKEN und bei Jens Kerstan GRÜNE)

Sie haben es eben gehört, das ist so seit Jahrzehnten. Deswegen sind auch Ihre U-Bahn-Pläne, Herr Bürgermeister, sehr unglaubwürdig. Ich habe schon öfter gesagt, dass seit 40 Jahren Steilshoop, Osdorf und Lurup auf eine Bahnanbindung warten. Sie haben sie immer wieder versprochen und immer zufälligerweise ungefähr ein Jahr vor dem Wahlkampf. Das nehmen die Leute nicht hin, da hat Herr Steffen recht, denn sie sind doch nicht doof.
Ich kann Ihnen zum Schluss nur eines sagen: Wir brauchen jetzt eine Planung für die Stadtbahn, und deswegen werden wir dem CDU-Antrag zustimmen. Wir brauchen eine Planung, die gleich anfängt, denn eine Stadtbahn ist nicht innerhalb von zwei oder drei Jahren zu bauen. Sie brechen sich keinen Zacken aus der Krone, ganz im Gegenteil, Sie könnten vielleicht Ihre Krone sogar behalten, wenn Sie sagen würden, Sie hätten die Leute verstanden und die SPD wolle jetzt wenigstens die Stadtbahn planen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

Zweiter Beitrag

Heike Sudmann DIE LINKE:* Mir hat in dieser Debatte eben sehr gut gefallen, wie Herr Kienscherf sich nicht erregt hat, ruhig und gelassen seine Argumente vorgetragen und deutlich gemacht hat, dass die SPD total souverän bei diesem Thema ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Wobei es eine Reaktion gab, die das getoppt hat, die haben Sie vielleicht nicht gesehen. Als nämlich die Zwischenfrage kam, ob denn die Stadtbahn zum Mobilitätsprogramm gehören könne, und Herr Horch versuchte auszuführen, was das Mobilitäts-programm sei, sind dem Herrn Bürgermeister die Falten ganz stark nach oben gewandert. Das sah richtig toll aus. Aber Herr Horch hat die Klippe umschifft und jetzt können Sie wieder lächeln. Im Mobilitätsprogramm ist nicht ein einziges Mal das Wort Stadtbahn zu finden, weder getrennt noch zusammengeschrieben. Das heißt, Sie haben sie in Ihrem Programm nicht berücksichtigt.
Eines werfe ich Ihnen vor: Herr Kienscherf sprach von Zukunft, Sie wollen eine Strategie für die Zukunft machen. Ihre Zukunft ist ganz schön kurz, sie endet im nächsten Jahr nach der Bürgerschaftswahl. Wenn Sie ins Mobilitätsprogramm schauen, dann werden Sie feststellen, dass es keine einzige Entscheidung gibt, die bis Februar 2015 gefällt werden wird. Die Verkehrsentwicklungsplanung wird 2015/2016 entschieden, das steht ganz klar drin. Und auch in Ihrem Antrag, den Sie uns heute vorgelegt haben, beantragen Sie, dass der Senat bis 2016 berichtet. Sie sind doch ein alter Hase, Herr Kienscherf, was die Bürgerschaftszeit angeht, und da wissen Sie ganz genau, dass es ein wunderbares Wort gibt: Diskontinuität. Ihren Antrag können Sie sich wer weiß wohin hängen; das wird niemals berichtet werden. All diese Sachen werden nicht stattfinden.
In seltener Einigkeit der Opposition – die FDP lasse ich außen vor, die ignorieren wir einmal – haben wir heute hier versucht, Ihnen noch einmal zu sagen, Herr Kienscherf und Herr Schäfer, dass wir nie dazu kommen werden, die Stadtbahn zu bauen, wenn Sie jetzt nicht anfangen zu planen und die Kosten zu ermitteln – gerne mithilfe der CDU-Unterlagen. Sie reden von den Zwanziger-, teilweise von den Dreißigerjahren, dann wären Sie offen für andere Systeme, aber dann sind wir im Jahr 2040, bevor eine Stadtbahn überhaupt fahren könnte. Sie beerdigen das hier.
Das Einzige, was Sie hier zeigen, angefangen von der Regierungsbank bis hin zur SPD-Fraktion, ist wirklich Ihr Tunnelblick auf U-Bahnen. Sie gucken nicht auf die Kosten. Wir könnten Ihnen jetzt noch drei- oder viermal erklären, dass ein U-Bahn-Bau pro Kilometer vier- bis fünfmal teurer ist als bei der Stadtbahn. Frau Koeppen hat so eine wunderbare Pressemitteilung herausgegeben, wo sie ausführt, die Stadtbahn sei städtebaulich das Schlimmste und zerschneide die Stadtteile. Frau Koeppen, ich weiß nicht, ob Sie Autos so wunderschön finden.
Ich finde, eine vierspurige Straße zerschneidet die Stadt viel stärker als eine Stadtbahn.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Hesse hat gesagt, wie viele Menschen in eine Stadtbahn hineinpassen. Ich versuche es noch einmal im Ruhigen. Liebe SPD, niemand wird Ihnen das vorwerfen, wenn Sie jetzt sagen, Sie seien bereit, noch einmal über die Stadtbahn nachzudenken. Es wird Ihnen auch niemand vorwerfen, wenn Sie in den Planungsprozess einsteigen. Sie gehen wie in jeden anderen Prozess hinein. Am Ende kann Herr Scholz uns vorrechnen, dass es nicht passt, oder er wird vorrechnen müssen, dass es doch passt und dass wir gute Arbeit geleistet haben. Dieser Schritt, das ist eine ganz kleine Größe, fehlt bei Ihnen. Vielleicht haben Sie doch den Mut, wenigstens den Antrag an den Ausschuss zu überweisen, da könnten wir dann weitergucken. Sagen Sie hier nicht immer nur nein, das machten Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU und den GRÜNEN)