Plenarprotokoll 20/85: Esso-Häuser: Keine Belohnung für Spekulation – Statt einer Beteiligungsshow einen partizipatorischen Planungsprozess mit „PlanBude“ vor Ort durchführen!
Heike Sudmann DIE LINKE: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was von Herrn Duge noch gar nicht angesprochen wurde, ist die Geschichte des Versagens der Stadt bei den Esso-Häusern, und damit will ich anfangen. 1997 hat die Stadt die Grundstücke verkauft. Darüber will ich gar nicht streiten; dass wir Erbbaurecht haben wollten, ist kein Thema. Aber bei diesem Verkauf gab es keinerlei Klauseln. Es gab keine Klausel über ein Rückkaufrecht und keinerlei Auflagen, obwohl die damaligen Erbbaurechtsbesitzer, Familie Schütze, gesagt haben, sie wollten jetzt kaufen, damit sie wunderbar investieren und die Häuser in einem guten Zustand halten könnten. Die damalige rote-grüne Regierung oder SPD-Regierung hat nichts gemacht.
(Finn-Ole Ritter FDP: Waren Sie dabei?)
– Ich war in der Opposition, fällt mir ein. Genau, ich habe dagegen gestimmt.
Das ist also nicht passiert. Sie haben aber auch, obwohl damals schon erkennbar war, dass St. Pauli ein Stadtteil ist, der eine Aufwertung erfährt,
(Dirk Kienscherf SPD: Wo war 1997 eine Aufwertung? Da war keine Aufwertung in St. Pauli!)
keine Klausel festgelegt, was passiert, wenn das Grundstück weiterverkauft wird. Das rächt sich.
Und es lag in Ihrer Verantwortung, liebe SPD und auch die CDU vorher, etwas zu tun, als später klar wurde, dass die Wohnungen in einem schlechten Zustand sind. Herr Kienscherf, da waren Sie sogar Bezirksabgeordneter. Die Wohnungspflege hat nichts gemacht, es ist nichts passiert. Man kann den gesamten Vorgang sehen: Spekulation wurde hier wunderbar gefördert, lieber Herr Kienscherf, denn schon nach zwölf Jahren hat der Eigentümer, der das Objekt gekauft hatte, weil er viel investieren wollte, das gesamte Gelände inklusive Wohngebäude für einen irren Betrag weiterverkauft. Das Einzige, das sich in der Zeit verändert hat, ist nicht der Zustand der Wohnungen – der ist nur schlechter geworden –, sondern positiv aus Sicht der Investoren hat sich verändert, dass St. Pauli nicht mehr der ärmste Stadtteil Hamburgs ist und nicht mehr die schlechtesten Wohngebiete hat und dass St. Pauli wunderbar zum Investieren ist.
(Zuruf von Jörg Hamann CDU)
Diesen Vorgang will die SPD in Hamburg-Mitte – und die CDU sowieso, Herr Hamann – damit belohnen, dass man jetzt einen Bebauungsplan erstellt, der möglichst stark den Vorstellungen der
Bayerischen Hausbau entspricht. Es sollen dort nämlich auch sehr teure Wohnungen entstehen.
Ich kann Sie nicht verstehen, wenn Sie alle auf einmal blubbern. Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen.
(Finn-Ole Ritter FDP: Wollen Sie Plattenbau da? – Glocke)
Vizepräsidentin Kersten Artus (unterbrechend):
Lassen Sie die Abgeordnete bitte aussprechen und in Ruhe weiterreden.
Heike Sudmann DIE LINKE (fortfahrend): Teure Wohnungen werden dort entstehen, die die St. Paulianerinnen und St. Paulianer nicht bezahlen können. Auch wenn die SPD sagt, sie wolle im frei finanzierten Wohnungsbau kleine Wohnungsgrößen für Menschen mit wenig Einkommen haben, können sich aber Menschen mit wenig Einkommen auch keine 40-Quadratmeter-Wohnung
für 12 Euro netto/kalt kaufen. Das ist echt eine Täuschung, was Sie in Ihren Antrag geschrieben haben.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Mieten, nicht kaufen!)
– Mieten, genau, mit Kaufen war ich jetzt schon einen Schritt weiter.
Kaufen ist das, was die GRÜNEN beantragen und was ich auch nicht verstehe. Die GRÜNEN sagen in ihrem Antrag – Herr Ritter, lesen Sie es, dann sind Sie wenigstens still –, dass nicht nur das
Grundstück zu dem Kaufpreis von damals zurückgekauft werden soll, was rechtlich kaum möglich wäre, sondern dass auch die entstandenen Kosten erstattet werden sollen. Damit öffnen Sie Tür und Tor, dass Sie einen irre hohen Kaufpreis zahlen müssen, und das wäre eine Belohnung für die Bayerische Hausbau, die diese nicht verdient hat.
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)
Um einmal beim Bild von Herrn Duge zu bleiben: Lassen Sie die Kuh doch einfach auf dem Eis stehen. Der nächste Frühling kommt, und dann wird die Kuh schon sehen, was passiert. Aber das wird der SPD nicht gefallen, denn im Programm der SPD steht, dass sie, was auch richtig ist, jedes Jahr 6000 Wohnungen bauen will. Aber Sie müssen sich das einmal genau überlegen: Wenn Sie Wohnungen auf dieser Fläche bauen, so wie die Bayerische Hausbau es will – mit dem kleinen Kompromiss für 15 Jahre Sozialwohnungen und danach nicht mehr –, wird der Stadtteil St. Pauli enorm darunter leiden, und Sie werden die Mieter und Mieterinnen, die schon lange vertrieben sind, auch nicht mehr zurückbekommen. Sie haben geschrieben, Sie wollten die Mieter und Mieterinnen zurückhaben, die jetzt ausziehen mussten, aber es gab schon vorher viele Leute, die sich St. Pauli nicht mehr leisten konnten. Sie sollten jetzt den Weg gehen, hier etwas für den Stadtteil und mit dem Stadtteil in einem ergebnisoffenen Planungsprozess zu entwickeln. Die Leute vor Ort haben mit ihrer „PlanBude“ schon eine wunderbare Vorstellung davon gehabt, und das sollten Sie übernehmen.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Und wer bezahlt das alles?)
Da kommen wir gleich zum nächsten Thema: Sie haben 1 Million Euro frei für den Carl-Legien-Platz, Sie haben locker hier eine Million frei und da eine Million frei. Da haben Sie nie ein Problem, wie das bezahlt werden soll. Das Geld könnten Sie auch hier investieren, und das hätte St. Pauli verdient.
(Beifall bei der LINKEN)