Plenarprotokoll 20/88: Überdeckelung der A 7 in Altona, Stellingen und Schnelsen – Der Baubeginn in Stellingen ist erst der Anfang – Bürgerschaft unterstützt „Altonaer Konsens“
Heike Sudmann DIE LINKE: Soll ich etwas sagen oder wollen Sie die Rede selbst halten? Okay, ich fange an, und zwar mit drei kurzen Punkten, die ich nachher noch einmal vertiefen werde.
Der erste Punkt: Es gibt eine völlige Übereinstimmung, das wissen Sie alle. Alle Fraktionen, auch DIE LINKE, haben immer gesagt, dass sie einen langen Deckel wollen. Sie wissen auch ganz genau, dass es die SPD war, die gesagt hat – ich denke da an die Diskussion im Verkehrsausschuss im September 2011 –, ein langer Deckel wäre zwar irgendwie schön, aber eigentlich können wir das nicht machen. Der zitierte Staatsrat hat mit sehr starken Argumenten dagegengehalten.
Der zweite Punkt: Konsens klingt immer gut, und wenn jemand da nicht mitmacht, ist es immer schwierig. Wenn Sie den Konsens, den Sie beschließen werden, genau betrachten, dann werden
Sie aber feststellen, dass schon mal eine Hintertür weit aufgestoßen wurde; ich werde gleich noch darauf eingehen, was ich damit meine.
Zur Bürgerinitiative: Ich wünsche ihr, dass sie weiterhin einen langen Atem hat, weil ich glaube, dass sie ihn leider weiterhin brauchen wird. Als vor gut 20 Jahren die vierte Röhre gebaut wurde und sie sich für Lärmschutz eingesetzt hat und die Deckelidee geboren wurde, waren alle begeistert. Das wurde ein paar Jahre diskutiert, dann ist es unter den Tisch gefallen,
(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)
und dann wurde diese Deckelidee ganz fiese verknüpft nach dem Motto: Ihr könnt einen Deckel bekommen, aber dafür brauchen wir einen achtspurigen Ausbau.
Verkehrspolitik aus Sicht der LINKEN sieht anders aus; das haben wir heute schon einmal diskutiert.
Sie besteht nicht darin zu sagen: Erst einmal erzeugen wir wesentlich mehr Verkehr und dann schauen wir, ob wir die Bürger und Bürgerinnen schützen können. Auch die Stadtentwicklungspolitik, die wir uns vorstellen, sieht anders aus. Dass diese Wunde zwischen den Stadtteilen, die damals ein SPD-Senat durch die Stadt geschlagen hat – die Schneise für die A 7 –, geschlossen werden muss, steht völlig außer Frage.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Helmut Schmidt in den Siebzigern!)
– Helmut Schmidt war’s? Wunderbar, jetzt haben wir auch noch einen Schuldigen gefunden. Sie von der Initiative wohnen da und andere, die dort an der Autobahn wohnen, wissen, dass das
eine unüberbrückbare Situation ist. Da wächstauch kein Stadtteil wieder zusammen. Wir stellen uns aber eine Stadtentwicklung vor, die durch einen Deckel verbessert wird. Dieser Deckel ist
wunderbar,
(Olaf Ohlsen CDU: Ja, aber!)
aber Sie haben vor – mittlerweile im breiten Konsens –, diesen Deckel durch Grundstücksverkäufe zu finanzieren, und zwar zu Höchstpreisen,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Wie ist denn Ihr Finanzierungsmodell?)
und dann wollen Sie da Wohnungsbau haben. Ich glaube, selbst Herr Ohlsen in seinem heimeligen Eidelstedt und Herr Dressel in seinen Walddörfern haben schon erkannt, dass wir in Hamburg Wohnungsbau brauchen, der für die Mieter und Mieterinnen finanzierbar ist; wir brauchen günstige Wohnungen.
(Beifall bei der LINKEN)
Was Sie machen, bedeutet, dass wir im gesamten Umfeld nur hochpreisige Wohnungen haben werden; das brauchen wir nicht.
(Olaf Ohlsen CDU: Wenn wir dafür Mieter finden, ist das doch in Ordnung!)
– Endlich haben Sie es einmal wunderschön beschrieben. Sie finden dafür Mieter, aber andere finden keine Wohnung, weil auf den Flächen, auf denen günstiger Wohnungsbau entstehen sollte, sauteure Wohnungen stehen. Genau das ist das Problem, Herr Ohlsen.
(Dietrich Wersich CDU: Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!)
– Ich merke, Sie haben es verstanden.
(Finn-Ole Ritter FDP: Nein, Sie haben es nicht verstanden!)
Sie wollen sich doch eigentlich immer nach der Nachfrage richten; Markt heißt schließlich Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage kennen Sie: 53 Prozent der Hamburger und Hamburgerinnen haben Anspruch auf geförderten Wohnraum, Herr Roock sagt es doch immer, und dafür brauchen wir das.
(Jens Kerstan GRÜNE: Sie drucken das Geld wohl selber?)
– Wir drucken das Geld nicht selber, Herr Kerstan, sondern wir sagen, das Geld ist da, in Hamburg und im Bund. Wir als LINKE haben – auch wenn Sie die Stirn kraus ziehen, Herr Dressel – schon sehr viele Finanzierungsvorschläge gemacht, die darauf zielen, wie man die Einnahmeseite erhöhen kann.
(Zurufe von der SPD und der FDP)
Sie teilen das nicht – der Herr mit seinem Textmarker um den Hals teilt das auch nicht, mein lieber Herr Ritter –, Sie haben andere Vorstellungen.
(Finn-Ole Ritter FDP: Ja, ich finde Sie auch nicht hübsch, aber ich sage es wenigstes nicht!)
– Ich merke, der Witz kommt langsam an; ich danke Ihnen. Ich werde Ihnen das nachher noch einmal erklären mit dem Textmarker, aber vielleicht haben Sie Ihre Aufmerksamkeit jetzt noch einmal bei mir.
Eine Finanzierung des Deckels ist also möglich, und auch eine andere Stadtentwicklung ist machbar.
Nun aber dazu, warum ich glaube, dass dieser Konsens nicht sehr belastbar ist. Wenn Sie sich das einmal durchlesen, sowohl den Vortext als auch die Antragspunkte, dann ist da viel die Rede
von Möglichkeiten und von eventuell und, als Krönung, von einer möglichen Option. Option heißt schon Möglichkeit. Eine mögliche Möglichkeit sei es also, vom Bund vielleicht Geld zu bekommen.
Was mich aber am stutzigsten macht und was wahrscheinlich auch die Initiative nicht erfreuen wird, ist noch etwas anderes. Im September 2011 haben wir im Ausschuss darüber diskutiert, dass wir eine vernünftige Finanzierungslage bekommen müssen. Der Senat ist aufgefordert worden zu prüfen, die SPD hat das mit ihrer Mehrheit abgewiegelt. Seit fast drei Jahren ist nichts passiert, und jetzt haben Sie ein Datum eingesetzt. In der Ursprungsfassung – ich habe Ihre Ursprungsfassung gesehen – stand 15. März 2015. Das war dann vielleicht doch zu deutlich. Jetzt haben Sie geschrieben, die Vorplanung solle im ersten Quartal 2015 abgeschlossen sein. Es müsste jemand sehr böse sein, wenn er oder sie sagen würde, dass das definitiv erst nach dem 15. Februar 2015 der Fall sein wird. Ich bin so böse und sage, genau das haben Sie vor. Sie haben sich jetzt lieb Kind gemacht
(Finn-Ole Ritter FDP: Schönes Schlusswort!)
und werden im Februar 2015 sagen: Wir haben es versucht, ihr habt den Antrag gesehen, den wir am 20. Mai eingereicht haben, aber wir haben es im Bund nicht hinbekommen. Deswegen bleibt euch nur die Galerie, aber wir, die wir unterschrieben haben, bekommen keinen auf den Deckel, wir bekommen eure Stimmen. Das ist für mich eine falsche Politik.
(Beifall bei der LINKEN)