Am Donnerstag wurden in einer gemeinsamen Sitzung des Schul- und Wissenschaftsausschusses die „Empfehlungen zur Fortschreibung der Reform der Lehrerbildung in Hamburg“ behandelt. Die Fraktion DIE LINKE hat dazu eine klare Position: Sie lehnt die Empfehlungen der Expertenkommission überwiegend ab. Denn würden sie Realität, stünde das der Entwicklung eines inklusiven Schulwesens massiv entgegen.

Mit der Aufstellung von fünf Lehramtssstudiengängen, getrennt in Grundschul-, Stadtteilschul-, Berufschullehramt, Sonderpädagogik- und Gymnasial-Lehramt, wird das in der Kritik stehende aktuelle 2-Säulen-Modell aus Stadtteilschule und Gymnasium verfestigt, statt aufgebrochen. Zu den fünf zentralen Empfehlungen der Kommission gehört die Überführung des der Schulstruktur nicht mehr adäquaten Grund-, Haupt- und Realschul-Lehrgangs in zwei separate Studiengänge: Grundschullehramt und Stadtteilschul-Lehramt. Diesen Vorschlag der Kommission zur Abkopplung des Grundschullehramtes lehnt DIE LINKE ab, weil damit die Verzahnung der Grundschule mit der Sekundarstufe I gekappt würde. Dies würde mit einem hohen Kompetenz-,Wissens- und Erfahrungsverlust einhergehen: Fachlichkeit, didaktisch-methodische Konzeptentwicklung („Lernen lernen“), pädagogische Gestaltung von Übergängen und sorgsame Begleitung von Schülerbiographien enden nicht mit Klasse 4.  Sabine Boeddinghaus, schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion: “Lehrkräfte in der Primarstufe müssen mit Arbeitsweisen und Kompetenzen in der Sekundarstufe vertraut sein wie auch umgekehrt Lehrkräfte in der Sekundarstufe von der Pädagogik in der Primarstufe profitieren sollten.“ Sie weist daraufhin, dass immerhin 20% der Hamburger Stadtteilschulen Langformen mit durchgehenden Angeboten von der Grundschule bis zum Abitur sind. Die Abkopplung und Schaffung eines eigenständigen Grundschullehramtes könnten zu dessen Abwertung führen, befürchtet Boeddinghaus. „Im Grundschulbereich wie in der Sekundarstufe sind hohe Fachlichkeit verbunden mit starken pädagogischen Kompetenzen zu gewährleisten, was aus unserer Sicht nur in der Gemeinsamkeit eines Grund- und Sekundarstufenlehramtes gelingen kann.“

Den Ansatz, die Arbeit in multiprofessionellen Teams in den Hamburger Schulen stärker zu fördern, begrüßt DIE LINKE hingegen. Dieser Ansatz lässt sich jedoch ebenso auf die Arbeit in den Hochschulen übertragen: Auch hier werden wir uns für multiprofessionelle Lehre einsetzen.

Im Grundschullehramt soll nach dem Empfehlungen der Kommission Deutsch und Mathematik plus ein weiteres Unterrichtsfach Pflicht sein. DIE LINKE befürwortet hingegen die freie Wahlmöglichkeit mindestens zwischen einem der zwei Pflichtfächer. Keine andere Schulform schreibt Pflichtfächer vor. Ein Fach mit einem zusätzlichen verpflichtenden fachdidaktischen Grundlagenstudium würde eine heterogenere fachliche Ausbildung sowie die Ausweitung der pädagogischen Studienangebote ermöglichen.

Zudem begrüßt DIE LINKE, dass die Kommission die qualitativ hochwertige Arbeit der Stadtteilschulen unterstreicht, indem sie betont, dass ihre Lehrkräfte fachlich gut ausgebildet sein müssen, auch im Umgang mit der Vielfalt ihrer Schüler_innenschaft.. Denn alle Schulen der Stadt haben sich den gesellschaftlichen Herausforderungen – Inklusion, Migration, Diversität – zu stellen, und alle Lehrer_innen benötigen die entsprechende Ausbildung.

Die Lehrer_innenbildung muss sich konsequenter an den Bedürfnissen und biografischen Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen orientieren und nicht an der momentanen Struktur, welche, ausgelöst durch das Schulwahlverhalten der Eltern, auf den Prüfstand gehört. „DIE LINKE fordert, aus den beiden Sekundarstufen-Lehrämtern künftig EINES für Lehrkräfte zu machen, die für ihre sehr vielfältige (und auch auf dem Gymnasium heterogene!) Schüler_innenschaft fachlich und pädagogisch auf hohem Niveau ausgebildet werden“, sagt Martin Dolzer, wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. „Denn inklusionspädagogische Qualifizierung mit einem weiten Inklusionsbegriff sollte für alle Lehrkräfte aller Schulformen die Grundlage sein.“

DIE LINKE fordert daher ein Schulwesen mit echter Inklusion. Im unverbindlichen Nebeneinander verschiedener Studiengänge kann Inklusion nicht gelingen. Boeddinghaus: “Dass die Kommission aus vier exklusiven Lehrämtern nun fünf macht, so die Lehrer_innenbildung weiter zersplittert und die Mobilität zwischen Schultypen in Studium und Beruf unnötig beschränkt, ist wohl auf die Vorgaben der auftraggebenden Senator_innen zurückzuführen. Im Sinne einer guten Bildungsreform ist sie ganz bestimmt nicht.“ 

DIE LINKE fordert stattdessen EIN modernes, zukunftsfähiges Lehramt, qualifizierend für alle Schulstufen mit Spezifizierungen für die unterschiedlichen Anforderungen. „Wir werden uns in die Diskussion mit dem Ziel einbringen, dass die Lehrerausbildung ein inklusives Schulsystem mit als gleichwertig verstandenen und im Einstiegsamt gleich besoldeten Lehrberufen befördert und nicht verhindert.“

Gänzlich fehlen im Kommissionbericht neben Besoldungsfragen auch Überlegungen zum Vorbereitungsdienst: Hier vermisst die Senatspolitik jegliche Transparenz. Hamburgs Universitäten, die letztlich die Aufgabe haben, den eng gesteckten Rahmen der Lehrer_innenbildung mit Curricula zu füllen und mit Zulassungszahlen auszustatten, werden durch die Fixierung auf das aktuelle Schulsystem wenig Gestaltungsfreiheiten gelassen. „DIE LINKE kritisiert, dass die Kommission nicht frei Vorschläge erarbeiten durfte, sondern sich am aktuellen Hamburger Schulsystem zu orientieren hatte. Die 5-Studiengänge-Struktur folgt damit politischen Interessen – wissenschaftlich nicht begründet und praktisch nicht überprüft – anstatt berufsspezifischer Professionalität“, meint Sabine Boeddinghaus.

Richtig ist nicht zuletzt der Hinweis von Studierenden und Fachschaftsräten, dass große Pläne im Bildungsbereich begrüßenswert, ohne bedarfsdeckende Mittel jedoch nicht realisierbar sind. Martin Dolzer, wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE: „Der Senat tut so als würde er Verbesserungen im Bildungssystem versprechen, sichert jedoch nicht einmal die Existenz der bestehenden Studienfächer finanziell ab. Der knapp und übergangsweise abgewendete Wegfall wichtiger Stellen und damit der Minimalbetreuung Studierender in der Sonderpädagogik zeigt die geringe Wertschätzung des Studiengangs und die drastische Unterfinanzierung. Dass auf diese Weise weder qualifizierende Lehre noch gutes Lernen stattfinden können, versteht sich von selbst. Wenn der Senat Inklusion und die Bildung voranbringen möchte, reichen Lippenbekenntnisse nicht aus – die bedarfsgemäße Ausfinanzierung der Hochschulen ist unabdingbar!“