Regelabfrage im öffentlichen Dienst: Wie der Senat Berufsverbote zurückbringen will
Vor drei Jahren hat der Hamburger Senat das Unrecht der vom Radikalenerlass 1972 Betroffenen Menschen anerkannt und dies in Form einer Ausstellung gewürdigt. Nun plant er die Wiedereinführung von Berufsverboten aufgrund von vermuteter politischer Gesinnung. Das „Gesetz zum Schutz des öffentlichen Dienstes vor verfassungsfeindlichen Einflüssen“ betrifft hierbei fast alle Beschäftigten: von Lehrkräften und anderen Beamt*innen, über Verwaltungsangestellte, bis hin zu studentischen Hilfskräften und Tutor*innen. So sollen anlasslos Regelabfragen beim Verfassungsschutz gestellt werden, die bei bei vermuteter verfassungsfeindlicher Gesinnung zum Verhindern der Anstellung führen können. Wenn das Gesetz einmal umgesetzt ist, bedeutet es daher einen tiefen Einschnitt in die Rechte fast aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Dabei gibt es bereits jetzt strafrechtliche Mittel, um Verstöße gegen das Grundgesetz zu ahnden. Wer beispielsweise vorbestraft ist, wird seinen Weg möglicherweise gar nicht erst in den öffentlichen Dienst, sicher aber nicht in bestimmte Berufsgruppen finden, da bereits jetzt vor der Anstellung ein Führungszeugnis eingereicht werden muss. Verstöße nach der Einstellung können bereits nach bestehendem Recht geahndet werden.
Was wir nicht brauchen, ist eine Durchleuchtung nach politischer Gesinnung. Der Verfassungsschutz ist keine demokratisch gewählte oder gar richterliche Instanz, sondern ein Inlandsgeheimdienst. Er sollte keine Befugnis darüber haben, auf der Basis von Beschattung der eigenen Bevölkerung Urteile über die vermutete politische Gesinnung von Einzelpersonen zu treffen, die sich in tiefgreifenden Einschnitten in das Leben Betroffener niederschlagen. Doch genau das ist mit dem neuen Gesetzt geplant.
Was heute unter dem Vorwand geschieht, die Unterwanderung des öffentlichen Dienstes durch islamistische Gruppierungen zu verhindern, traf in der Vergangenheit im Zuge des Radikalenerlasses fast ausschließlich Personen aus dem linken Spektrum. Um von einem Berufsverbot betroffen zu sein, genügte es beispielsweise, einer Organisation nahezustehen, in der auch Kommunist*innen aktiv waren. Trotz des gesellschaftliches Rechtsruckes gibt es keinen Anlass zu denken, dass es dieses Mal anders laufen würde. Der Fall Lisa Poettingers in Bayern zeigt, wie allein die Teilnahme an antikapitalistischen Initiativen und die Verwendung des Begriffs „Profitmaximierung“ als Beweis für eine verfassungsfeindliche Gesinnung angesehen werden können – was in ihrem Fall dazu führte, dass sie nicht zum Referendariat zugelassen wurde. Der Senat bedroht durch seine Berufsverbote maßgeblich eine antifaschistische Praxis.
Wer im öffentlichen Dienst arbeitet oder dies vorhat, könnte aus Angst vor Willkür davon abgehalten werden, sich politisch zu engagieren. Da es zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes zählt, frühzeitig verfassungsfeindliche Tendenzen zu erkennen, hat er einen großen Interpretationsspielraum, was als verfassungsfeindlich gilt. So können Kapitalismuskritik, Antimilitarismus und eine kritische Gesinnung vom Verfassungsschutz unter Umständen als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Der Hamburgische Senat unternimmt alles, damit Lisa Poettinger kein Einzelfall bleibt.
„Mich betrifft es ja nicht“
Wer denkt, als fest angestellte*r Mitarbeiter*in im Öffentlichen Dienst sicher zu sein, liegt falsch, denn eine Abfrage beim Verfassungsschutz findet in Zukunft nicht nur bei der ersten Anstellung statt. Wer im öffentlichen Dienst arbeitet oder arbeiten wird und im Laufe seines Lebens eine Versetzung, Beförderung, Verbeamtung, das Ende einer Ausbildung oder das Unterzeichnen eines neuen Arbeitsvertrags erwartet, wird in Zukunft durchleuchtet und auf politische Gesinnung geprüft. Kurzgesagt sind somit all diejenigen betroffen, die nicht bis zur Rente oder Pension am selben Arbeitsplatz bleiben werden.
Du willst wissen, ob du von Berufsverboten betroffen sein könntest?

