Aufgrund der Kampagne der CDU und der Bild-Zeitung sehe ich mich zu den folgenden Klarstellungen veranlasst. Folgendes Zitat von mir zu den Vorfällen in St. Georg am 1. Februar 2017 wurde zum Teil aus dem Zusammenhang gerissen oder verändert wiedergegeben:

„Augenzeugen sagten, sie konnten keine Notwehrsituation erkennen. Weil der Beamte aus ihrer Sicht nicht in großer Gefahr und Obang A.A. sichtlich angetrunken und desorientiert war – und insbesondere aufgrund der Pause zwischen den Schüssen – werten sie den Vorfall als lebensgefährliches Fehlverhalten oder gar rassistisch motivierten Hinrichtungsversuch. Meine Fraktion sieht die Behörden in der Pflicht, den Fall lückenlos aufzuklären.“

Wie deutlich ersichtlich, gebe ich die subjektiven Eindrücke von Augenzeugen wieder, mit denen ich als Journalist gesprochen habe. Insbesondere nehme ich selbst keine juristische Bewertung vor, sondern fordere die Behörden zur lückenlosen Aufklärung des Vorfalls auf.
Ich möchte hier noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass ich selbst keinen Anhaltspunkt für einen, wie von meinen Gesprächspartnern formuliert, „Hinrichtungsversuch“ sehe. Insbesondere nehme ich mit meiner Äußerung selbst keine Bewertung oder juristische Beurteilung vor, sondern habe die Behörden zur lückenlosen Aufklärung des Vorfalls aufgefordert.

Meine Aussagen gegenüber der Presse sind zum Teil missverstanden worden, was ich sehr bedauere. Ich hätte die nicht korrekte redaktionelle Bearbeitung klarer zurückweisen sollen. Diese Sache habe ich aber längst klargestellt. Insofern ist die Strafanzeige, die der Polizeipräsident jetzt gestellt hat, für mich nicht nachvollziehbar.

Was wir in den letzten Tagen erleben, geschieht vor dem Hintergrund einer Kampagne von CDU und Bild-Zeitung. Diese Kampagne ist die Personalisierung von gesellschaftlichen Konflikten und in keinem Fall konstruktiv – sondern lenkt von den eigentlichen Problemen und Sachverhalten ab und verhindert eine Aufarbeitung des Geschehenen. Stattdessen zielt sie darauf ab, mich als politischen Akteur diskreditieren.

Das Geschehen vom 1. Februar und dessen Aufklärung sollte eigentlich im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen.

Als Abgeordneter war und ist mir sehr an einem konstruktiven Dialog mit der Polizei gelegen. Insbesondere schätze ich in diesem Zusammenhang auch die Arbeit derjenigen politischen und sozialen Akteur_innen sowie Polizist_innen, die um einen intensiven Dialog zur Überwindung von Problemen bemüht sind und dabei die Menschenwürde, Grundrechte und Sicherheitsinteressen aller Beteiligten, also auch von Geflüchteten, als einen zentralen Teil ihrer Arbeit sehen. Es wäre jedoch ein Schaden für das Gemeinwesen, wenn nicht auch polizeiliches Handeln kritisch hinterfragt werden könnte. Als Abgeordnete (Legislative) haben wir ja gerade die Aufgabe, exekutives und polizeiliches Handeln kritisch zu begleiten. Das gilt auch für die ohne Frage schwierige Situation am 1. Februar in St. Georg und die darauffolgenden Situationen.

Im Zusammenhang der Kampagne sind auch die Meldungen in der Bild-Zeitung zu sehen, die den Eindruck erwecken sollen, ich hätte in missbräuchlicher Verwendung meines Abgeordnetenausweises und Ausnutzung meiner Stellung als Mitglied der Bürgerschaft, also irgendwie „illegal“, versucht, zu Obang A. zu gelangen, der im AK St. Georg liegt. Diese Behauptung ist schlicht und einfach wahrheitswidrig. Als Abgeordneter habe ich das Recht und die Pflicht, bei derartigen Vorfällen von öffentlicher Bedeutung, insbesondere auf Bitte von Verwandten oder engen Freunden den Gesundheitszustand von Menschen zu erfragen. Und genau das habe ich getan.

Diesbezüglich bekam ein Anwalt am frühen Abend des 3. Februar die Auskunft des Kriminaldauerdienstes, dass keine polizeiliche Gewahrsams- oder Festnahmesituation bestehe. Dementsprechend war davon auszugehen, dass ein Besuch keiner Genehmigung bedurfte. Dies habe ich dem Beamten des PK 16 (Wache an der Lerchenstrasse) im AK St. Georg am Abend des 3. Februar – während der Besuchszeit der Station – mitgeteilt, der Obang A. bewachte. Dieser sagte daraufhin, dass er vom PK 11 (Wache am Steindamm) die Anweisung habe, niemanden zu dem Schussopfer zu lassen. Nach einem kurzen freundlichen Gespräch habe ich das Krankenhaus verlassen.

Am Dienstag den 7. Februar habe ich persönlich bei der Haftstelle im Strafjustizgebäude, Raum 113-115, vorgesprochen, um eine Besuchserlaubnis für Obang A. zu bekommen und erhielt dort die Auskunft, dass es kein Haftstatut gebe und daher ein Besuch bei Obang A. weder für mich noch für seinen Verwandten einer Besuchserlaubnis bedürfe. Der Justizbeamte im AK St. Georg, der zu diesem Zeitpunkt Obang A. bewachte, teilte dagegen mit, dass er die Anweisung habe, niemanden zu dem Schussopfer zu lassen.

Ein Video auf der Homepage der Bild-Zeitung, auf dem zu sehen ist, wie ich mit meinem Abgeordnetenausweis in der Hand ruhig mit Polizeibeamt_innen über eine Festnahmesituation spreche, spricht im Gegensatz zum dazugehörigen Text eigentlich für sich. Der Ausweis dient gerade auch dazu, sich als Abgeordneter zu legitimieren und auch in einer zugespitzten Situation Gehör zu finden. Ich nutze den Abgeordnetenausweis, um den Polizeibeamt_innen zu signalisieren wer ich bin und eröffne dann einen, wie im Video deutlich erkennbar, deeskalierenden Dialog. Zu versuchen, ein solches Handeln zu delegitimieren, bedeutet einen Angriff auf die Gewaltenteilung und zielt offenbar darauf ab, gewählten Abgeordneten das Recht abzusprechen, polizeiliches Handeln zu kontrollieren.

Die mir gegenüber gemachten Unterstellungen und die Kampagne haben mittlerweile zu Morddrohungen gegen mich geführt. Ich denke, dass es notwendig ist, dass wir als verantwortungsvolle Politiker_innen an einer Entwicklung der Gesellschaft arbeiten, in der jeder Mensch möglichst diskriminierungs- und angstfrei leben kann. Auch die Presse ist diesbezüglich mitverantwortlich.

Durch eine Personalisierung gravierender Probleme in Kampagnenform, wie sie in den letzten Tagen gegen mich geführt wird, werden keine Probleme gelöst, sondern lediglich neue Probleme geschaffen und eine undifferenzierte und unsachliche, ressentimentgeladene Stimmung gefördert.

Zu einer Beruhigung der angespannten Stimmung in Teilen der afrikanischen Community würde sicherlich beitragen, wenn Informationen über den Gesundheitszustand von Obang A. gegeben würden. Ebenfalls vernünftig wäre eine differenzierte Debatte über Alternativen zu den Kontrollen afrikanischer Menschen in St. Georg und St. Pauli.

In diesem Sinne ist die Würde des Menschen unantastbar – und wir haben die Aufgabe, sie zu schützen und zu verteidigen.

Martin Dolzer, 18. Februar 2017