Auswärtige Unterbringung: Fachlich und finanziell katastrophal
Ein sowohl fachlich als auch finanziell katastrophales Bild der Jugendhilfe in Hamburg zeigen die Antworten des Senats auf die Große Anfrage „Auswärtige Unterbringung bei den Hilfen zur Erziehung“ (Drs. 21/2013) der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Schon eine erste Analyse ergibt alarmierende Befunde“, erklärt dazu Sabine Boeddinghaus, jugendpolitische Sprecherin der Fraktion. „So ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Hamburg in Einrichtungen außerhalb der Stadt unterbringt, innerhalb von drei Monaten von 1433 auf 1626 gewachsen, weil bei den bisherigen Zahlen die Unterbringung der jungen Volljährigen nicht berücksichtig wurden. Damit sind fast 44 Prozent aller Kinder und Jugendlichen, die die Behörde in ihrer Obhut hat, außerhalb der Stadt. Selbst Babys und Kleinkinder werden auswärtig untergebracht!“
Der Senat begründet die groß angelegte auswärtige Unterbringung weiterhin mit dem Mangel an für solche Einrichtungen geeigneten Immobilien in der Stadt. Tatsächlich streben die Jugendämter aber gezielt einen „Milieuwechsel“ an, der nur in den seltensten Fällen fachlich geboten ist. „Die mir vorliegende interne Liste der Fachargumente macht deutlich, dass die Immobilien-Problematik vorgeschoben ist“, so Boeddinghaus. „Und so handeln alle Senate seit über 15 Jahren. In dieser Zeit hätte schon längst innerstädtischer Wohnraum für Hilfen zur Erziehung geschaffen werden können. Aber dafür hat es zu keiner Zeit eine politische Weichenstellung gegeben. Die Antwort des Senats auf meine Frage entspricht nicht der Wahrheit.“
Außerdem belegt die Senatsantwort, dass trotz der Erfahrungen mit den inzwischen geschlossenen Heimen Haasenburg und Friesenhof immer noch Hamburger Kinder und Jugendliche in mehr als hundert Einrichtungen verschickt werden, die mit Methoden wie Stufenvollzug, Token-System oder Time-Out-Raum arbeiten. Der Senat bezieht sich jedoch weiter positiv auf solche Methoden. „Es macht mich sehr betroffen, dass der Senat völlig beratungsresistent ist, was diese überkommene Form der Pädagogik angeht“, erklärt Sabine Boeddinghaus. „Ausgangspunkt des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen in solchen Einrichtungen müssen ihre Rechte sein, wie sie die UN-Kinderrechtskonvention benennt – und die ist in Deutschland geltendes Recht. Einrichtungen, in denen die Kinder sich zum Beispiel ihre eigene Kleidung durch Wohlverhalten erarbeiten müssen, in denen es Überwachung und Besuchsbeschränkung für Verwandte gibt, verletzen die Kinderrechte. Trotzdem will der Senat sie auch weiterhin nutzen.“
Die Antworten zur Personalsituation beim ASD zeigen auf, dass dort immer noch 21 Stellen unbesetzt sind. „Insgesamt belegen die Antworten des Senats eindeutig: Wir brauchen dringend eine Neuorientierung der Kinder und Jugendhilfe“, folgert Boeddinghaus. „Ein Instrument dazu ist die Einsetzung einer Enquete-Kommission, wie wir und viele Fachleute sie seit langem fordern.“