Foto: Fraktion Die Linke

HSH Nordbank-Skandal vor dem Ende – Ein Grund zur Freude?

Der Fall HSH Nordbank ist einer der größten polit-ökonomischen Skandale der Bundesrepublik Deutschland. Die Fusion der Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein wurde von den beiden Landesparlamenten im Mai 2003 mit großer Mehrheit beschlossen.

von Joachim Bischoff, Norbert Hackbusch und Norbert Weber

acbe3e9187_01-300x225

Ausdrücklich stimmen die Abgeordneten auch der internationalen Ausrichtung, den »Credit Investments« und dem »Handel innovativer und strukturierter Finanzprodukte« zu. Im Zuge des internationalen Finanzmarktcasinos verordnet sich die Bank 2006 eine Unternehmensstrategie »Kapitalmarktfähigkeit 2006« und strebt als Unternehmensziel an, die Eigenkapitalrentabilität auf über 15% zu erhöhen. »Wir waren damals alle mehr oder minder besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt«, sagt später die einstige Regierungschefin Heide Simonis (SPD).

Die Bank sollte bis 2008 an die Börse gebracht werden und damit als Leuchtturmprojekt der CDU-Ordnungspolitik einer radikalen Privatisierung öffentlicher Unternehmen fungieren. In der großen Finanzkrise mit der Insolvenz der Lehmann-Bank scheitert auch die Fiktion von der HSH Nordbank als international agierender Kapitalmarktbank – neben anderen Geldhäusern und großen Verlusten der anderen bundesdeutschen Landesbanken.

Die HSH-Bank musste 2008 einen Verlust von 2,8 Mrd. Euro bewältigen. Der Großteil des durch öffentliche Mittel aufgebrachten Eigenkapitals von ca. 5.000 Mio. Euro war damit verloren. Die Wertvernichtung der öffentlichen Vermögensbestände belief sich schon damals auf über 8.000 Mio. Euro. Die politischen Akteure in Hamburg und Kiel (CDU, SPD, Grüne) entschieden sich außerdem zu einer Eigenkapitalzufuhr aus Steuermitteln in Höhe von 3.500 Mio. Euro und einer Garantie von 10.000 Mio. Euro auf den Kreditbuchwert der Bank.

Jetzt – zehn Jahre später – wird die Bank für 1.000 Mio. Euro »privatisiert«. Die in diesem Zeitraum aufgelaufenen neuen Verluste werden in der Öffentlichkeit auf zwischen 13-16 Mrd. Euro geschätzt. Hätte man also die Bank nicht bereits 2008 in einem geordneten Konkurs abwickeln können? Nein, lautet die Antwort der PolitikerInnen in Hamburg und Kiel. Finanzsenator Tschentscher begründet Ende 2017 die Alternativlosigkeit der »Rettung« mit den 2009 noch existierenden Garantieverpflichtungen der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein aus der Gewährträgerhaftung: »2009 waren das rund 65 Milliarden Euro.Jetzt (Ende 2017) liegen wir bei unter drei Milliarden. Bei einer früheren Abwicklung wäre der größte Teil der Haftung der Länder eingetreten. Deshalb wäre eine Abwicklung vor 2016 immer die teuerste Variante gewesen. Mit einem Verkauf haben wir zugleich die Chance, das wirtschaftliche Ergebnis für die Länder noch ein bisschen zu verbessern.«

Der designierte Bundesfinanzminister und Erste Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz (SPD), teilt mit: »Ich hoffe, dass nach den Beratungen in den Landesparlamenten auch die EU-Kommission und die zuständigen Aufsichtsbehörden zügig grünes Licht für den Verkauf geben werden.« Mit der Privatisierung »können wir den Schaden für die Länder, der durch die verantwortungslose Expansionsstrategie der Bank in den Jahren 2003 bis 2008 entstanden ist, so gering wie möglich halten«.

Gab es eine Alternative?

Diese Argumentation hat uns weder 2008 noch 2018 überzeugt. Ja, man hätte die Bank abwickeln können und müssen. Es wären Mut und die Ehrlichkeit notwendig gewesen, zu der realistischen Erkenntnis zu gelangen, dass das Projekt »Rettung HSH Nordbank« schon 2009 gescheitert war.

Dies hätte Folgendes zur Folge gehabt:

  1. Der Vorstand wäre von seiner Tätigkeit zu entbinden gewesen.
  2. Die Geschäftsführung hätte ein Moratorium unter Führung der BaFin eingeleitet.
  3. Die tatsächliche Situation der Bank wäre endlich zu ermitteln gewesen.
  4. Das Prinzip der Bilanzierung »going concern« und dessen Gestaltungsspielräume wären endlich nicht mehr möglich. Seit 2009 haben die Bankverantwortlichen immer wieder diese Gestaltungspielräume bis zum Erbrechen ausgenutzt, um sich reicher zu rechnen als man tatsächlich ist.

Und was ist mit der Drohkulisse, die die Politik sowie die aktuelle Bankenführung aufgebaut haben, dass man den Eindruck bekommen konnte, das ganze Abendland würde untergehen, wenn die HSH Nordbank die Tore schließt? Nun, am Bespiel WestLB hat man bereits erlebt, dass diese Drohkulissen zerplatzt sind wie Seifenblasen.

Die Bank würde weiterhin versuchen, Assets sowie Teile zu verkaufen, wie sie es bisher auch tut und getan hat. Der Unterschied wäre nur, dass die Erlöse daraus zur Verminderung der Länderrisiken verwendet werden könnten und nicht wie bisher zur Subventionierung des defizitären operativen Geschäftsbetriebes.

Zudem wäre endlich ein Riegel davor geschoben worden, dass sich die HSH-BankerInnen, allen voran der Vorstand, zu Lasten der SteuerzahlerInnen bereichern. Fast 3.000 HSH-BankerInnen bedienen sich mit jeweils im Durchschnitt mehr als 100.000 Euro Jahresfestgehalt. Allerdings beschränkt sich die Absicherung, wie üblich, nur auf die Führungskräfte. Für die Zahl der Beschäftigten gibt es bereits Planungen: Sie soll von derzeit noch rund 1.900 auf nur noch rund 1.300 sinken. Das wäre ein Abbau von mehr als 30%. »Über die Arbeitsplätze und ihre Verteilung auf Kiel und Hamburg entscheiden die künftigen Eigentümer«, teilen die Regierungen lapidar mit. Von Sozialplan ist bislang keine Rede. Die Lasten der Alterssicherung sollen bei den Bundesländern bleiben.

Mit dem nun eingefädelten Verkauf endet für die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein ein Finanzdesaster, das sich über rund zehn Jahre seit dem Beginn der globalen Finanzkrise hinzog und von zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Fehleinschätzungen, Skandalen und Irreführungen der Öffentlichkeit geprägt war. Der Skandal besteht in der langjährigen Verschleppung eines Konkurses. Hinzu kommen reichlich unappetitliche Skandale als Begleiterscheinungen. Der größte Schaden besteht in der anhaltenden Verletzung demokratischer Werte.

Der Deal

Die Verhandlungen der Haupteigentümer der HSH Nordbank, der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein mit den Finanzinvestoren Cerberus und J.C. Flowers sind zu der von der EU gesetzten »Deadline«, dem 28.2.2018, zunächst mit einer vertraglichen Absichtserklärung abgeschlossen worden. Die Käufer sind Cerberus, Flowers, Golden Tree, Centaurus Capital und die österreichische Bawag-Bank, die sich mehrheitlich im Besitz von Cerberus und Golden Tree befindet. Flowers hielt bereits vor der Übernahme gut fünf Prozent an der HSH. Nun folgt die »Closing-Phase«, die bis mindestens Ende 2018 dauern wird.

Die Bundesländer mussten bis Ende Februar einen Käufer präsentieren, der sich vertraglich grundsätzlich bindet. Dies war eine Auflage der EU-Kommission im Gegenzug für staatliche Milliardenhilfen, die die Eigentümer beantragt hatten und nach zähen Verhandlungen im Mai 2016 endgültig bewilligt wurden.

Die EU will mit ihrem Beschluss vom Mai 2016 endgültig die Praxis der Subventionen für die Pleitebank und die anhaltende Wettbewerbsverzerrung beenden: Das Problem HSH Nordbank soll endgültig gelöst werden. Seit 2013, konstatiert die zuständige EU-Kommissarin, hat die HSH jedes Jahr »ihre eigenen Prognosen in Hinblick auf das Neugeschäftsvolumen unterschritten, dies gilt insbesondere für die Geschäftsbereiche Schiffsfinanzierung und Firmenkunden«. Da sich die Lage auf dem Schifffahrtssektor weiter verschlechtert habe, müsse die Bank abgewickelt werden, d.h. vom Markt verschwinden, es sei denn, es findet sich ein Käufer, der nach Prüfung und Billigung des Geschäftsmodells die Bank auf eigenes Risiko weiterführt.

Wir wissen jetzt, wer die Käufer sind und wir wissen, dass es einen vorläufigen Verkaufspreis von ca. einer Mrd. Euro gibt. Eine Gruppe mehrerer Finanzinvestoren um die New Yorker Investmentgesellschaften Cerberus und J.C. Flowers übernimmt die HSH Nordbank. Nach der heutigen Unterzeichnung gibt es eine weitere Phase der Einhaltung und Überprüfung der Vertragsbedingungen. Zustimmen müssen noch die jeweiligen Landesparlamente und Finanzaufsicht BaFin sowie die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank.

Der vorläufige Kaufpreis von einer Mrd. Euro soll sich noch reduzieren, falls die Bank die Verlustgarantie der Länder von zehn Mrd. Euro nicht voll in Anspruch nimmt. Dies ist nach den vorliegenden Berichten und Erklärungen des Bankmanagements keine seriöse Unterrichtung der Öffentlichkeit. Denn schon jetzt sind von den 10 Mrd. Euro Garantie über sieben Mrd. Euro gezogen und weitere Milliarden im Verfahren der Garantieabrechnung.

Auch die vorgesehenen Beratungen in den Landesparlamenten in ein paar Wochen werden keine Transparenz bringen. Prof. Hellwig, mehrfach herangezogener Experte zur Einschätzung des Sanierungsprozesses der Bank, formulierte 2013 anlässlich der Garantieerhöhung: »Die Vorlage des Senats an die Bürgerschaft bietet keine ausreichende Informationsgrundlage für eine sachkundige Beratung und Beschlussfassung in der Bürgerschaft. Die Bürgerschaft sollte daher die Vorlage zurückweisen und die Beschlussfassung vertagen, bis eine Unterlage vorgelegt wird, die hinreichend informativ und verlässlich ist.« Leider haben die Koalitionsregierungen in Hamburg und Kiel diese Kritik bis heute nicht ernstgenommen.

Wie ein roter Faden zieht sich seit Jahren die Intransparenz durch die Affäre der HSH Nordbank. Auch über die Verluste der früheren Vermögenswerte und die entstandenen Sanierungskosten gibt es bislang keine verlässliche Information. Scholz und Tschentscher wiederholen ihr Credo: Es sei »der geringste Schaden, den wir erreichen konnten«, und »Wir haben es geschafft, eine existenzielle Krise abzuwenden«. Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit sieht anders aus.

Die Kosten

Der geringste Schaden – was heißt das? Bis 2008 mussten Vermögenswerte abgeschrieben werden und dann wurde das Eigenkapital auf 4,5 Mrd. Euro aufgestockt und die Kredite und Anleihen der Bank mit 10.000 Euro garantiert seitens der Bundesländer. Außerdem haben die beiden Bundesländer noch »gestörte Kredite« in Milliardengrößenordnung »angekauft«, damit die Bank als Risikounternehmen für die Finanzinvestoren tragbar wurde. Diese Sanierungskosten werden in den Medien zumeist auf 11 bis 14 Mrd. Euro geschätzt, bei genauerer Rechnung kommt man auf 18 Mrd. Euro. Die Sonderbelastung durch die HSH Nordbank führt bei beiden Ländern zu steigender Verschuldung, während die Schulden aller anderen Bundesländer gegenwärtig sinken.

Schleswig-Holstein allein rechnet mit fünf bis acht Milliarden Euro neuen Schulden für das Land aufgrund des HSH-Nordbank-Abenteuers. »Der Gesamtschaden für den Landeshaushalt insgesamt sehr hoch«, erklärte Monika Heinold (Grüne), Finanzministerin Schleswig-Holsteins. Zum Gesamtschaden gehört die massive Verletzung von demokratischen Regeln. Die Politik hat nicht nur eine Zombie-Bank über Jahre am Leben erhalten, sondern aktiv eine Irreführung der Öffentlichkeit inszeniert. Prof. Hellwig bilanzierte 2017 über die trostlose Allianz von Politik und Medien in dieser Affäre: »Eine öffentliche Diskussion haben die Verantwortlichen in der Bank und den Regierungen erfolgreich unterbunden, durch Vertuschen, Beschönigen und Verweigern von Antworten. Die Stützungsbeschlüsse von 2009, 2013 und 2015/2016 beruhten auf erkennbar fehlerhaften Prognosen … Die Bank will regelmäßig mit Gewinnmeldungen Optimismus verbreiten, aber diese Gewinne kann sie nur deshalb ausweisen, weil die Abschreibungen auf faule Kredite nicht der Bank, sondern den Garantiegebern zugerechnet werden.«

 

Foto: Fraktion Die Linke