HSH Nordbank – halbsaniert und reichlich Schiffsschrott!
Von Joachim Bischoff und Norbert Weber
Die marode HSH Nordbank hat ihren Halbjahresbericht 2016 vorgelegt. Er verdient besondere Aufmerksamkeit, weil erneut mit viel öffentlichem Geld die Bank für einen „Verkauf“ aufgehübscht wurde.
Die EU-Kommission hatte dieses Jahr endgültig eine Erhöhung der Ländergarantien für die Landesbank für Hamburg und Schleswig-Holstein auf zehn Milliarden Euro genehmigt, im Gegenzug aber den Verkauf des Instituts bis 2018 durchgesetzt. In einem ersten Schritt hatte die HSH jüngst faule Schiffskredite in Höhe von fünf Milliarden Euro an eine Zweckgesellschaft der Länder übertragen.
Außerdem: Die angespannte Lage auf den Schifffahrtsmärkten macht der HSH Nordbank weiterhin zu schaffen. Das einst boomende Geschäft mit Schiffsfinanzierungen hat sich seit Beginn der Schifffahrtskrise 2008 zu einem Verlustbringer entwickelt. Die Frachtraten reichen in vielen Fällen nicht mehr aus, um die Kredite zu bedienen. Ein Großteil der schiffsfinanzierenden Banken wie die Bremer Landesbank (BLB) oder die NordLB werden in die Verlustzone gerissen.
Und die HSH? Durch die Ländergarantie ist sie relativ gut abgesichert und präsentiert sich als „winner“. Wie immer hört sich die bankeigene Presseerklärung, versehen mit der Überschrift „HSH Nordbank mit Gewinnplus zum Halbjahr – Starke Kapitalquote und Kostendisziplin“, überaus positiv an:
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Kernbank mit Vorsteuergewinn von 261 (Vorjahr 143) Mio. Euro;
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Konzernergebnis nach Steuern steigt auf 160 (147) Mio. Euro;
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Entlastungen aus EU-Entscheid und Portfolioübertrag an die Bundesländer;
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Risikovorsorgebedarf für Shipping bleibt hoch;
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CET1-Quote steigt auf 13,5 Prozent, CIR auf gutem Niveau von 47 Prozent;
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CEO Ermisch: „Erwarte für Kernbank starkes Gesamtjahr“.
Blick hinter die Fassade
Zunächst fällt auf, dass unterteilt wurde in HSH Nordbank (Zwischenlagebericht der HSH Nordbank) sowie Konzern (Konzernzwischenabschluss der HSH Nordbank). Das ist auch zunächst farblich klar getrennt – HSH Nordbank blau, Konzern rot.
In den Zahlen verwischen diese klaren Trennungen jedoch. So ist sowohl bei der HSH Nordbank als auch beim Konzern nur Gewinn- und Verlustrechnung des Konzerns dargestellt. Demnach ist das Ergebnis vor Restrukturierung deutlich schlechter ausgefallen als im entsprechenden Vorjahreszeitraum (395 Mio. Euro gegenüber 469 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2015). In diesem Zusammenhang gefällt uns die bankeigene Beschreibung dieses Rückganges sehr: „Gesamtertrag gegenüber Vorjahr planmäßig reduziert.“
Immer wieder wird vom HSH-Management darauf hingewiesen, dass die Bank bereits 2,9 Milliarden Euro an Prämien für die Ländergarantie geleistet habe. Das ist sehr zu hinterfragen. Mehrfach sind den Ländern Besserungsscheine (1) präsentiert worden, ohne dass tatsächlich die Prämie an die Länder geflossen ist. Zudem müssen die Länder selbst Kapitaldienst leisten, um die von den Ländern kreditfinanzierten Kapitaleinschüsse in einer Größenordnung von drei Milliarden Euro an die HSH zurückzuzahlen.
Große Sorgen machen uns zwei Sachverhalte, die in dem Halbjahresbericht geschildert sind. Das sind die Beschreibungen der Bank
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im Zusammenhang mit dem Portfoliotransfer an die Länder und
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zur HSH Nordbank Konzern Pyramide.
Portfoliotransfer an die Länder
Bekanntlich haben die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein zum Jahreswechsel 2015/16 mit Regierungsmehrheit im Eiltempo eine erneute Rettungsaktion für die HSH durch die Länderparlamente geprügelt. Den Abgeordneten ist so gut wie kein aussagefähiges Hintergrundmaterial zur Verfügung gestellt worden.
Der letztendlich durchgesetzte Lösungsweg lautete:
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Aufspaltung der Bank in eine Holdinggesellschaft (HoldCo) sowie eine Tochtergesellschaft (OpCo). Die bisherige Gesamtbank einschließlich weltweiter Töchter ist die neue Tochter „OpCo“;
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Entlastung der Bank von „Altlasten“. 6,2 Milliarden Euro Schrottassets werden/wurden von den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein übernommen, weitere zwei Milliarden Euro darf die Bank an den Markt abgeben. Bisher hat die Bank in einer ersten Transaktion ein Bruttovolumen von fünf Milliarden Euro an notleidenden („faulen“) Krediten den Ländern vor die Tür kippen dürfen. Extra dafür ist von den Ländern eine „Anstalt Öffentlichen Rechts“ gegründet worden, die HSH-Portfoliomanagement AöR mit Sitz in Kiel.
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Die ländereigene Holdinggesellschaft hat sich verpflichtet, die Garantiegebühren zu übernehmen, mit Ausnahme der Garantieprovision auf den nicht in Anspruch genommenen Teil. Dieser im Verhältnis zum Gesamtaufkommen marginale Teil der Garantiegebühren soll bei der Bank verbleiben.
Im Gegenzug zur Übernahme von Schrott-Assets sollte eins zu eins die Ländergarantie in der Größenordnung von zehn Milliarden Euro freigegeben bzw. zurückgegeben werden. Vom Senat wurde immer argumentiert, man wäre „sowieso“ in der Haftung und würde die Situation nicht verschlechtern.
Fünf Milliarden Euro mit „Ausfallwahrscheinlichkeit 100 Prozent“
Mehrfach haben wir vorgerechnet, dass diese vermeintliche Lösung nicht funktionieren kann. Selbst die Kapitalkennziffern der Bank würden sich trotz Länderengagement verschlechtern, keinesfalls verbessern. Nach Vorlage des Halbjahresberichtes wissen wir nun, wie die Transaktionen funktionieren sollen:
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Die HSH Nordbank durfte im ersten Schritt fünf Milliarden Euro an Schrottinvestments bei den Ländern abladen. Nach der Tabelle „Ausfallrisikostruktur nach Ratingklassen“ (Halbjahresbericht S. 46) haben sich die Assets der Ratingklasse 16-18 mit Ausfallwahrscheinlichkeit 100 Prozent (!) um diesen Betrag entsprechend vermindert.
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Die Bank rühmt sich eines vertraglichen Anspruchs auf Verlustausgleich bezogen auf die ausgefallenen Hauptforderungen und die aufgelaufenen Zinsen. (u.a. ebd. S. 65).
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Der bilanzielle Kompensationsposten aus der Sicherungswirkung der Teilgarantie 1 beträgt (zum 30. Juni 2016) 8,353 Milliarden Euro. Diese Sicherungswirkung benötigt die Bank auch unbedingt, um überhaupt ihre Kapitalquoten erfüllen und gebildete Risikopositionen wieder ertragswirksam zurückbuchen zu können.
Halten wir fest:
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Die Länder haben fünf Milliarden Euro an Schrottinvestments von der Bank übernommen. Diese wurden von der Bank mit hundertprozentiger Ausfallwahrscheinlichkeit geratet.
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Zudem hat sich die Bank die aufgelaufenen Zinsen, die die Kreditnehmer eigentlich hätten erbringen müssen, von den Ländern erstatten lassen.
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Demgegenüber steht lediglich eine Garantierückgabe von 1,647 Milliarden Euro. Zu Ende gerechnet besteht real die Gefahr, dass die Länder Schrottinvestments in einer Größenordnung von mehr als 32 Milliarden Euro übernehmen müssen, um ihre zehn Milliarden Euro Garantie vollständig zurückzubekommen.
Dies müssten die Eigentümer – die Bundesländer – eigentlich erklären. Aber den Medien und der politischen Öffentlichkeit ist das Drama HSH längst gleichgültig.
Die unglaubliche HSH–Konzernpyramide
Im Halbjahresbericht (S. 136) wird ausgeführt: „Die HSH Nordbank unterhält geschäftliche Beziehungen zu nahestehenden Unternehmen und Personen. Hierzu gehören die HSH Beteiligungs Management GmbH, Hamburg, als direktes Mutterunternehmen und zugleich oberstes Mutterunternehmen der HSH Nordbank AG, das einen Konzernabschluss erstellt, die HSH Finanzfonds AöR als oberstes Mutterunternehmen des Konzerns, die hsh Portfoliomanagement AöR, sowie das Land Schleswig-Holstein und die Freie Hansestadt Hamburg, die an den beiden Gesellschaften zu jeweils 50 % beteiligt sind.“
Diese Beschreibung hört sich zunächst undramatisch an. Überaus dramatisch wird es jedoch bei gleichzeitiger Betrachtung einer entsprechenden Haftungskaskade. Dass die HSH Beteiligungs Management GmbH als Mutter als GmbH haftungsbeschränkt ist, ist klar und auch so kommuniziert. Dass jedoch (laut bankeigener Beschreibung) die HSH Finanzfonds AöR „oberstes Mutterunternehmen des Konzerns“ sein soll, ist unfassbar und so nicht kommuniziert. Für eine Anstalt Öffentlichen Rechts haften die Länder unbeschränkt!
Zu befürchten ist, dass die Länder – zu Ende gedacht – über den Umweg ihrer HSH Finanzfonds AöR tatsächlich unbeschränkt für die Konzerntochter HSH Nordbank AG mit allen weltweiten Aktivitäten haften müssen. Dieses ist nicht zu akzeptieren und muss von den Parlamenten geklärt werden.
Das „Beste“ kommt zum Schluss
Wie immer kommt das Beste zum Schluss: Dieser Halbjahresbericht hat kein Testat eines Wirtschaftsprüfers, sondern lediglich „eine prüferische Durchsicht“ erfahren. Diese „prüferische Durchsicht“ ist aus Transparenzsicht faktisch gar nichts wert. Die Basisinformationen haben sich die beauftragten Wirtschaftsprüfer lediglich von den HSH-Bankern geholt – ohne eigene Kontrollmöglichkeiten.
Das Hamburger Abendblatt seufzt erleichtert auf: „HSH Nordbank macht Gewinn von 160 Millionen Euro“. Der Redakteur Dey hat endlich den positiven Beleg für die jahrelange Treue gegenüber der Zombie-Bank. Wirklich gigantisch: Die Bank erhält für Schrottpapiere im Umfang von fünf Milliarden Euro ein hübsches Sümmchen und verkündet einen Millionengewinn! Der Gewinn (nach Steuern) ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 147 auf 160 Millionen Euro gestiegen. Allein die Kernbank, die mit 68 von 91 Milliarden Euro den Löwenanteil der Bilanzsumme ausmacht, hat laut Abendblatt in den ersten sechs Monaten einen Vorsteuergewinn von 261 Millionen Euro erzielt. Der Verwaltungsaufwand sei von 302 auf 277 Millionen Euro gesunken, das Personal von 2.384 auf 2.290 Vollzeitkräfte reduziert und die Personalkosten entsprechend von 141 auf 129 Millionen Euro zurückgegangen.
Diese Kostensenkung sei „eine absolute Notwendigkeit“, betonte Bankchef Ermisch. „Denn es geht darum, uns eine möglichst gute Ausgangsposition für den anstehenden Eigentümerwechsel zu erarbeiten.“ Mehr noch: Auch für das Gesamtjahr 2016 könnten die Eigentümer einen Gewinn erwarten. Der werde wegen der weiterhin am Boden liegenden Schifffahrt zwar geringer ausfallen als im Vorjahr, aber Ermisch betont: „Es steht eine Bank im Schaufenster, die sehr gut funktioniert.“
Aufgehübscht, aber immer noch unverkäuflich
Doch die potenziellen Käufer werden sich nicht über die dunkeln Ecken täuschen lassen. Das „Non-Performing-Exposure“ (NPE) der gesamten HSH, also die Summe der nicht oder kaum noch bedienten Kredite, beträgt immer noch 13,8 Milliarden Euro – und das nach dem Verkauf von faulen Schiffskrediten im Umfang von fünf Milliarden Euro an die beiden Länder. Ein neuer Deal mit den Ländern ist nicht erkennbar. Die Bank muss jetzt – wie andere Banken auch – erstmal am Markt Käufer für die Schrottpapiere in Höhe von drei Milliarden Euro finden. Denn immer noch sind mehr als 15 Prozent der Bilanzsumme ausfallgefährdet. „Das ist zu hoch“, räumte Ermisch ein. Bis zum Verkauf soll die Quote auf elf Prozent sinken.
Es wird die Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein und damit ihren BürgerInnen noch richtig teuer zu stehen kommen, dass zum vergangenen Jahreswechsel nicht die Reißleine gezogen wurde und die HSH Nordbank AG in ein geordnetes Abwicklungsverfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) überführt wurde.
Fußnoten
(1) Als Besserungsschein wird die auflösende Bedingung innerhalb eines Schuldenerlasses bezeichnet. Sie zielt darauf ab, dass dem Schuldner zwar grundsätzlich die Schulden gegenüber einem bestimmten Gläubiger erlassen werden, gleichwohl sollen diese Schulden jedoch wieder aufleben, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners bessern sollte (daher „Besserungsschein“). Das kann etwa an einer Verbesserung des Eigenkapitals oder an wieder erwirtschafteten Gewinnen gemessen werden.