Korruption liegt in der Luft. Die SPD und der Fall Warburg
von Norbert Hackbusch und David Stoop
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss wurde aufgrund von Medienberichten im Jahr 2020 eingerichtet, die nahelegten: In Hamburg wurde politisch Einfluss genommen auf den Steuerfall Warburg, um die Bank trotz millionenschwerer Steuerhinterziehung zu schützen. Diese Medienberichte wurden damals vom Hamburger Senat kräftig angegriffen, sind aber mittlerweile in allen Punkten bestätigt. Warum wurde die organisierte Steuerkriminalität in den Jahren ab 2016 von der Stadt Hamburg und ihren Dienststellen in Finanzverwaltung und Staatsanwaltschaft nicht verfolgt, sondern im Gegenteil zum Teil sogar eifrig unterstützt? Warum wurden gewichtige Argumente der Betriebsprüfer*innen und deutliche Hinweise aus anderen Bundesländern und aus den Bundesbehörden in den Wind geschlagen und unterlaufen? Warum wurden die Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft torpediert?
Die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals im Rahmen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg hat zwei kolossale Defizite aufgedeckt: Zum einen die Unterstützung eines Steuerraubs durch den damaligen Bürgermeister Olaf Scholz und durch den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher – denn so erlangte der Steuerfall Warburg eine politische Dimension und wurde nach politischen Maßgaben behandelt – und nicht nach Kriterien der Steuergerechtigkeit. Zum anderen ist da die katastrophale Arbeitsweise der Hamburger Finanzverwaltung und der Hamburger Staatsanwaltschaft, die das Handelsblatt mit der Überschrift „Hamburg: Paradies für Steuersünder“ markierte.
Haltet den Dieb… – nicht!
Die Hamburger Finanzverwaltung ließ den Steuersünder Warburg zunächst mit 176 Millionen unrechtmäßig erstatteter Kapitalertragsteuer davonkommen. Die Aussagen der befragten Zeug*innen zeigen deutlich: Alle an der Betriebsprüfung der Warburg-Bank Beteiligten gingen seit Beginn des zentralen Untersuchungszeitraums (2014 bis 2022) davon aus, dass Jahr für Jahr die im Zeitraum 2007-2011 ergangenen Bescheide, die der Bank eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer aus illegalen Cum-Ex-Geschäften ermöglicht hatten, unanfechtbar werden und der Steueranspruch der Finanzverwaltung verjähren würde. Der Staatskasse drohte jedes Jahr der Verlust gewaltiger Summen Steuergelder.
Im Jahr 2016 wollten die Betriebsprüfer*innen des Finanzamts für Großunternehmen, die bei Warburg die Belege prüften, die nicht bereits verjährten Steuern zurückfordern. Sie haben damit eine steuerrechtliche Rechtsauffassung eingenommen, die später gerichtlich mehrfach bestätigt wurde. Ganz entgegen dieser Rechtsauffassung haben die Finanzbehörde und die Leitung des zuständigen Sachgebietes im Finanzamt für Großunternehmen die Rückforderung im Rahmen eines „teuflischen Plans“ verhindert und die Forderung von 47 Millionen Euro verjähren lassen.
Im Jahr 2017 wollte die Finanzverwaltung Hamburg weitere 43 Millionen Euro verjähren lassen. Obwohl die Rechtsposition derer, die Steuererstattungen bei Cum-Ex-Geschäften für Unrecht hielten, immer stärker geworden war, blieb die Unterstützung der Warburg-Bank aus der Finanzbehörde unter Leitung von Senator Tschentscher so kräftig, dass es einer doppelten Anweisung aus Berlin bedurfte, das Geld von der Bank zurückzufordern.
Kanzler Scholz? Kann man vergessen!
In beiden Jahren waren Tschentscher als Finanzsenator und Scholz als Bürgermeister in der politischen Verantwortung. Dabei hat Bürgermeister Scholz immer nur Treffen mit dem Bankchef Christian Olearius und Warburg-Vertretern zugegeben, soweit die zuvor schon in den Medien dokumentiert wurden. Erst ein Treffen im Jahr 2017, dann zwei Treffen im Jahr 2016. Aufklärungswille sieht anders aus. Darüber hinaus traf er sich mehrmals mit SPD-Vertretern, die in genau dieser Angelegenheit von der Warburg-Bank Geld erhielten. Die Finanzbehörde befürchtete ein Zusammenbrechen der größten Privatbank in Hamburg, aber Scholz will sich nach eigenem Bekunden an nichts erinnern. Nur: Bürgermeister Scholz signalisierte über die „stillschweigende“ Weitergabe einer Verteidigungsschrift der Warburg-Bank an seinen damaligen Finanzsenator Tschentscher, man möge sich der Sache annehmen. Und kurz danach entschied die Leitung der Finanzbehörde dann gegen das Votum ihrer eigenen Betriebsprüfer*innen und im Sinne der Warburg-Bank.
Die Erinnerungslücken von Scholz und Tschentscher sind nicht nur völlig unglaubwürdig – sie beschädigen auch in hohem Maße das Ansehen des Hamburger Senats. Scholz sagte dem Ausschuss, er sei sich sicher, insbesondere in den Gesprächen mit Olearius keine Fehler gemacht zu haben. Nur: Um sich so sicher sein zu können, müsste er sich an jede einzelne Gesprächssequenz genauestens erinnern – was er ja nach eigenem Bekunden nicht tut. Wer alles vergessen hat, kann nachher auch nicht sicher sein, fehlerfrei gehandelt zu haben. Ein solcher Vorgang im Ausschuss muss dokumentiert werden und politische Konsequenzen haben. Die Einlassungen von Scholz grenzen an eine Falschaussage. Der Bundeskanzler kann sich nicht länger hinter Erinnerungslücken, fehlenden Akten und gelöschten Kalenderdaten verstecken.
Hamburgs Job? Der wird in Berlin und Köln erledigt!
Im Jahr 2019 – kurz vor dem ersten Strafgerichtsurteil zum Fall Warburg – haben Teile der Finanzbehörde die Wünsche der Warburg-Bank auf eine tatsächliche Verständigung unterstützt – eine solche Verständigung hätte der Bank Dutzende von Millionen Euro zulasten der Allgemeinheit eingebracht. Diese Vorgehensweise, die zu erheblichem finanziellen Schaden für den Fiskus geführt hätte und die Steuerräuber der Warburg-Bank begünstigt hätte, musste erneut vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) unterbunden werden.
Der Ausschuss wird von einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen SPD-Spitzenpolitiker und gegen eine Finanzbeamtin begleitet. Dadurch war es möglich, Einsicht in staatsanwaltschaftliche Akten zu bekommen. Die Staatsanwaltschaft äußert den bestürzenden Verdacht, dass Kommunikation innerhalb der Finanzbehörde zum Thema Cum-Ex bei Warburg zum Teil gelöscht oder bewusst gar nicht zu den Akten gegeben wurde. Der anstehende Untersuchungsausschuss auf Bundesebene, der Prozess gegen Olearius in Bonn und weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft werden neue Erkenntnisse bringen. Auch der Hamburger Untersuchungsausschuss setzt seine Arbeit fort. Daher veröffentlicht der Untersuchungsausschuss lediglich einen vorläufigen Zwischenbericht.
So sieht’s aus: Scholz hat auf Veranlassung von Olearius aktiv in den Entscheidungsprozess eingegriffen
Der heutige Bundeskanzler und ehemalige Bürgermeister Olaf Scholz trägt gravierende politische Verantwortung für die wachsweiche Haltung der Stadt gegenüber dem Steuerbetrug der Warburg-Bank. Zudem gibt es Indizien, dass Scholz auch direkt Einfluss genommen hat auf den Entscheidungsprozess der Hamburger Steuerverwaltung. So traf sich Scholz mehrfach mit den Bankeigentümern, die zu diesem Zeitpunkt unter dem Verdacht der schweren Steuerhinterziehung standen – was nun wirklich kein Geheimnis war. Es ist offensichtlich, dass die Bank über die Treffen politischen Einfluss auf den finanzverwaltungsinternen Prozess suchte. Kein*e normale*r Steuerzahler*in hat jemals die Chance, die eigenen Wünsche und Beschwerden direkt beim obersten Dienstherrn der Stadt bzw. dem Chef der Finanzverwaltung vorzutragen. Kein*e normale*r Steuerzahler*in kann auch nur zu hoffen wagen, dass die obersten Dienstherren seine Angelegenheit zur Chefsache machen und Berichterstattung über den Fortgang der Angelegenheit von den Sachbearbeitern verlangen.
Wir meinen, es gibt sechs schwerwiegende Indizien für eine Einflussnahme:
• Am 4. August lobbyiert SPD-Türöffner Alfons Pawelczyk für Olearius bei Scholz. Scholz macht laut Tagebuch die Zusage: „Er geht der Sache nach.“ Drei Wochen später bestätigt Sachgebietsleiterin Daniela Petersen aus dem Finanzamt für Großunternehmen erstmals inoffiziell gegenüber Warburg-Vertretern: Wir fordern die Steuern doch nicht zurück. Wir vermuten einen direkten Zusammenhang zwischen dem Gespräch Pawelczyks mit Scholz und dem Umdenken von Petersen.
• Am 7. September spricht Scholz mit Olearius. In dem Gespräch trägt Olearius seinen Steuerfall vor und weist auf die angeblich „miserable wirtschaftliche Situation” seiner Bank hin. Scholz erwartet laut Tagebuch von Olearius, dass er sich in dieser Angelegenheit weiter bei ihm meldet.
• Am 26. Oktober empfängt Scholz Olearius erneut, nachdem die Finanzbeamtin Petersen scheinbar ihre Meinung geändert hat und die Steuer nun doch zurückfordern möchte. Olearius übergibt ein Argumentationspapier der Bank. Scholz gibt es nicht zu den Akten.
• Am 8. November telefoniert Scholz mit Tschentscher. Wir denken, dass sich die beiden über den Steuerfall Warburg austauschten. Denn über diesen Fall wurde Tschentscher kurz zuvor von seiner Verwaltung informiert. An den Inhalt des Telefonats wollen sich beide nicht erinnern.
• Am 9. November, nur einen Tag später, ruft Scholz bei Olearius an und fordert ihn auf, das Argumentationspapier der Bank kommentarlos an Finanzsenator Tschentscher zu übergeben. Scholz schickt ihn damit also direkt zum Chef der Finanzbehörde. Am 17. November entscheidet Tschentschers Behörde im Sinne der Bank, die geraubten Steuern verjähren zu lassen.
• Ende 2016 oder Anfang 2017 notiert Olearius in einer Übersicht, wem er in Sachen Cum-Ex danken will: Abgehakt ist darauf der Name Scholz.
Wir glauben Olaf Scholz seine Vergesslichkeit nicht. Und das schon allein deshalb, weil er im Laufe der Aufklärung immer nur genau die Termine mit der Warburg-Bank und Olearius zugegeben hat, die ihm zuvor von Journalisten nachgewiesen wurden. Der Kanzler war und ist kein Aufklärer – er vertuscht und wird damit zum politischen Unterstützer eines Steuerräubers! Der Vorwurf, dass Scholz die schützende Hand über den Steuerräuber Olearius gehalten hat, wurde bestätigt.
So sieht’s aus: Tschentscher hat die Anweisungen von Olaf Scholz entgegengenommen und den Steuerraub abgesegnet
Es ist ein schwerwiegender Vorfall: Der heutige Bürgermeister und damalige Finanzsenator Peter Tschentscher hat die Entscheidung der ihm unterstellten Finanzbehörde beeinflusst, am 17. November 2016 Cum-Ex-Erträge der Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro nicht zurückzufordern. Diese Einflussnahme manifestierte sich in drei Punkten:
• Bereits im Oktober 2016 – also vor der schlussendlichen Verjährungsentscheidung – finden Treffen und Gespräche unter Einbeziehung des Finanzsenators statt, um das Entscheidungspapier von Petersen zu diskutieren.
• Senator Tschentscher erhält am 9. November 2016 ein Lobbyschreiben der Warburg-Bank und wird darauf selbst aktiv: Er spricht mit seinem persönlichen Referenten und kurzfristig mit der Leiterin der Finanzverwaltung, um sich über diesen steuerlichen Einzelfall zu informieren. Vom Interesse des Senators erfährt selbst die Sachgebietsleiterin Petersen
sofort. Diese Vorgänge werden nicht veraktet. Aktenkundig ist erst seine offizielle Verfügung am 14. November 2016 mit dem handschriftlichen Hinweis: „Bitte um Informationen zum Sachstand“.
• Tschentscher gibt das Lobbypapier der Bank, das erkennbar bereits in seinem Verwaltungsapparat vorlag, erneut von oben in die Finanzbehörde ein. Damit zeigte er sein besonderes Interesse an dem Fall. Außerdem unterstützte er damit die Argumentation der Warburg-Bank – insbesondere den Hinweis auf die wirtschaftliche Bedrohung der Bank. Durch seine doppelte Einspeisung in den Apparat mussten die Argumente als Spiegelung seines eigenen Standpunktes aufgefasst werden – und der wurde dann nicht mehr angemessen hinterfragt. So funktioniert subtile Einflussnahme eines Senators.
Dieses Papier der Bank gewinnt noch dadurch an Brisanz, dass ausgerechnet die Finanzbeamtin Petersen dessen Formulierungen einem Bank-Vertreter insgeheim in die Feder diktiert hatte. Außerdem wurde die Aussage der finanziellen Bedrohung der Bank von keiner Seite kritisch hinterfragt, obwohl – wie der Untersuchungsausschuss gezeigt hat – eine solche ernsthafte Bedrohung nicht vorlag. Damit war der damalige Finanzsenator Tschentscher persönlich dafür verantwortlich, dass die Intervention der Warburg-Bank 2016 erfolgreich war.
So sieht’s aus: Im Jahre 2017 hat Tschentscher den Steuerraub der Warburg-Bank gegen eine Weisung des Bundesministeriums in Schutz genommen
Das Bundesfinanzministerium wies die Finanzverwaltung Hamburg am 8. November 2017 an, alle Maßnahmen einzuleiten, um die Steuerrückforderung gegen die Warburg Bank für den Veranlagungszeitraum 2010 rechtzeitig vor einer Verjährung geltend zu machen. Nach einem Klärungsgespräch im Bundesministerium bestätigten die in Hamburg beteiligten Beamt*innen zunächst, die Weisung umsetzen zu wollen. Nach einem Gespräch am 20. November mit Tschentscher und zwei Beamt*innen, die beim Klärungsgespräch in Berlin anwesend waren, remonstrierte die Finanzverwaltung dann aber am 29. November, indem sie ihre Argumente für ein erneutes Verjährenlassen von 43 Millionen Euro in einem Brief an das BMF darstellte. Damit widersetzte sie sich so weit wie nur möglich der Weisung. Tschentscher wurde das Schreiben vor Versand vorgelegt. Führende Beamt*innen der Finanzbehörde bestätigten, dass ohne eine solche politische Unterstützung durch den Senator kein Widerspruch gegen das Bundesministerium hätte durchgeführt werden können. Eine Weisung aus dem BMF ist äußerst selten, es gab seit 2010 nur vier solcher Weisungen an die Landesfinanzverwaltungen.
Bereits die Weisung des Bundesministeriums vom 8. November 2017 führte zu der finanziellen Verantwortung des Bundes im Falle einer gerichtlichen Niederlage gegenüber Warburg. Es bedurfte dazu eindeutig keiner weiteren Remonstration. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2008 explizit festgestellt: Im Außenverhältnis zum Geschädigten haftet alleine die anweisende Behörde – hier also das BMF und nicht die Stadt Hamburg. Der Widerstand der Hamburger Finanzbehörde gegen die Anweisung aus Berlin war damit kein Schutz der Hamburger Stadtkasse, sondern eine politische Unterstützung des Steuerräubers Warburg-Bank.
So sieht’s aus: Die Leiterin des Finanzamtes setzt ihren „teuflischen Plan“ um Die Entscheidung vom 17. November 2016, die rechtlich gebotene Forderung von 47 Millionen Euro an Kapitalertragsteuern verjähren zu lassen, geschah nicht im luftleeren Raum. Sie ist das Ergebnis von vorangegangenen Planungen im Finanzamt und der Finanzbehörde, die dann in
dieser offiziellen Entscheidung kulminierten. Gegen eine organisch gewachsene Entscheidung auf reiner Sachbasis sprechen zahlreiche Indizien. Darunter:
• Die von der Staatsanwaltschaft Köln beschlagnahmten Textnachrichten von Sachgebietsleiterin Petersen im Finanzamt an ihre Freundin aus der Finanzbehörde. Nach denen habe sie am 17. November einen „teuflischen Plan“ mit „freundlicher Unterstützung von S I “ und „zur großen Freude von 5 “ ausgeführt.
• Der Ausschluss der Betriebsprüfer*innen bei der Entscheidung in der Finanzbehörde, obwohl es doch zentral um die wirtschaftliche Situation der Bank ging und die Betriebsprüfer*innen massiv für eine Rückforderung plädierten.
• Zeugenaussagen, nach denen Petersen von Beginn des Entscheidungstreffens an gegen ihre eigene Entscheidungsvorlage argumentierte, obwohl die Entscheidungsvorlage viele zentrale Argumente für eine Rückforderung enthält und keine signifikanten Sachverhaltsänderungen im Vorlauf des Treffens zu erkennen sind.
• Die auffällig spärliche Aktenlage im Vorfeld und zur Vorbereitung des Entscheidungstreffens, welche im starken Kontrast zu den zahlreichen Tagebucheinträgen von Olearius sowie beschlagnahmten Gesprächsprotokollen aus der Warburg-Bank stehen. So weiß der Untersuchungsausschuss von einem positiven Antwortentwurf der Finanzbehörde auf Petersens Entscheidungsvorlage, das dann vor Versand von Vorgesetzten kassiert wurde, nur aus einer Zeugenaussage; das Dokument ist nicht veraktet worden.
• Die von Petersen inoffiziell gegenüber Warburg-Vertretern mitgeteilte Entscheidung, die Millionen nicht zurückfordern zu wollen, passt zeitlich zu der Zusage von Scholz an den bezahlten Bank-Lobbyisten und ehemaligen SPD-Politiker Pawelczyk laut Tagebuch von Olearius: „Der geht der Sache nach. Man hat gerühmt, dass die Bank für die Stadt
vieles getan habe und wir ihr Beistand gegeben haben. Die Eilbedürftigkeit ist bekannt …“
• Die hartnäckige Darstellung in der Finanzverwaltung, dass die Bank in einer finanziellen Schieflage stecke, obwohl diese Einschätzung von der für aufsichtsrechtliche Fragen zuständigen Prokuristin in ihrer Vernehmung vor dem Ausschuss und durch die tatsächliche Entwicklung nach den späteren Rückforderungen – die Bank arbeitet ungestört
weiter – explizit verneint wird. Außerdem wurde die Bank in einer detaillierten Analyse von Wirtschaftsprüfern, die der Betriebsprüfung in 2016 bereits vorlagen, auch im Fall einer Rückforderung als ungefährdet eingestuft.
Als krasses Beispiel, wie die Finanzbeamtin Petersen im Verborgenen die Bemühungen der eigenen Betriebsprüfer*innen hintertrieben hat, heben wir einen Vermerk aus der Warburg-Bank vom 17. Oktober 2016 hervor. Daraus geht hervor, dass Petersen sowohl den Ermittlungsstand der Staatsanwaltschaft und der Hamburger Behörden an die Bank verraten hat, als auch den Bankvertretern die Argumente gegen ihren Entwurf für die Rückforderung der Kapitalertragssteuer in die Feder diktierte. Genau dieses Papier zur Abwehr der Steuerforderung landete später über Olaf Scholz beim Finanzsenator Tschentscher und wurde von ihm von oben in die Finanzbehörde eingespeist. Fehlende politische Rückendeckung für Petersen ist bei einem derart gezielten Vorgehen undenkbar.
So sieht‘s aus: Die Leitung des Finanzamtes und Teile der Finanzbehörde haben in 2019 versucht, die Bank zu schützen vor der drohenden Verurteilung samt Vermögenseinziehung
Die Warburg-Bank wurde während des gesamten Untersuchungszeitraums des Ausschusses von hohen Beamt*innen der Finanzbehörde und im Finanzamt für Großunternehmen unterstützt. Besonders deutlich zeigt sich die Protektion der Bank in den Jahren 2019 und 2020, als der Fall Warburg mit dem ersten Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 kurz vor seinem vorläufigen Abschluss stand. Das Gericht hatte schon im Vorfeld eindeutig signalisiert, dass die Staatsanwaltschaft Köln mit ihrer Beweisführung gegen Geschäftspartner der Warburg-Bank soweit Erfolg haben würde, dass das Gericht sämtliche fälschlich erstatteten Kapitalertragsteuern von der Warburg einziehen würde. Dennoch blieben wichtige Teile der Hamburger Finanzverwaltung hartnäckig und gegen die Einschätzungen des eigenen Fachreferats bei ihrer Überzeugung, keine Kapitalertragsteuer zurückfordern zu können. Im Gegenteil sahen einzelne Finanzbeamte eine letzte Chance, eine drohende Belastung für die Warburg-Bank möglichst niedrig zu halten.
Wir wissen aus der Arbeit des Ausschusses:
• Eine Referentin in der Finanzbehörde erwirkte am 23. Juli 2019 zunächst eine mit Finanzsenator Dressel abgestimmte Weisung an das Finanzamt, nun endlich alle Jahre zurückzufordern. Das war durch eine Änderung der Rechtsprechung in 2018 auch für die verjährt geglaubten Veranlagungsjahre möglich geworden. Petersen, die Sachgebietsleiterin aus dem Finanzamt, argumentierte gegen die Einschätzung des Fachreferats der Finanzbehörde, dass dies aus Verjährungsgründen nicht möglich sei – mittlerweile hat das Finanzgericht Hamburg bestätigt, dass sie damit falsch lag. Die Weisung wurde, wie schon bei der Verjährungsentscheidung in 2016, nach einem Entscheidungstreffen in der Finanzbehörde trotz der gegenläufigen Expertenmeinungen nicht umgesetzt.
• Stattdessen versuchte die Verwaltung, die Warburg-Bank vor dem Zugriff aus NRW zu schützen: Finanzamt und Finanzbehörde erarbeiteten gemeinsam mit der Bank eine tatsächliche Verständigung über den Sachverhalt. Damit wäre eine Einziehung der gesamten Taterträge verhindert worden, wodurch Hamburgs Staatskasse etwa 100 Millionen Euro entgangen wären. Die Finanzbehörde benötigte dafür jedoch die Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen. Amtsleiter Stoll bat um Zustimmung – Finanzamt und Finanzbehörde seien „geneigt“, eine Verständigung zu verhandeln. Abteilungsleiter Wagner leitete sogar eine falsche Darstellung der Bank als seine eigene Meinung an das Ministerium weiter: Der Vorsitzende Richter im Bonner Verfahren befürworte eine Verständigung. Doch trotz aller Bemühungen aus Hamburg unterband das
Bundesministerium die gemeinsamen Pläne von Warburg und Finanzverwaltung, was dann endlich zur erfolgreichen und vollständigen Rückforderung führte.
So sieht’s aus: Hamburgs Klüngel lebte und gedieh – mit freundlicher Unterstützung der SPD
Die Warburg-Bank konnte sich während der gesamten Affäre der offiziellen und inoffiziellen Hilfestellung der politischen Elite Hamburgs gewiss sein. Man beriet die Bank und vertrat deren Interessen gegenüber Hamburger Behörden und den Behörden des Bundes – unter völliger Missachtung aller Moral und aller Loyalitätspflichten gegenüber den staatlichen Instanzen und den Interessen der Allgemeinheit. So wurde ein Fall von besonders schwerer Steuerkriminalität nachträglich legitimiert, abgesichert und vertuscht. Eine korrumpierende Nähe bestand im Fall Warburg insbesondere zur SPD Hamburg. Die Nähe drückt sich einerseits in Parteispenden aus, welche für die SPD zumindest teilweise versteckt abgewickelt wurden, und die in eindeutigem zeitlichen Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Fall stehen. Weiterhin zeigt sich die Nähe in enger, mitunter von der Bank bezahlter Beratung durch individuelle SPD-Größen.
Während sich der jetzige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher und der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz zum Nachteil des Hamburger Haushalts für die Belange der Bank in die Entscheidungsprozesse der Finanzverwaltung eingemischt haben, gibt es mehrere weitere lokale SPD-Figuren, die sich offiziell und inoffiziell für die Bank haben einspannen lassen. Darunter sind insbesondere:
• der ehemalige Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der wie ein Laufbursche von Olearius agierte und für die Warburg-Bank versucht hat, Einfluss auf die Bundesbehörden zu nehmen. Dafür bekamen sein Kreisverband und der Landesverband der SPD Spenden über 45.500 Euro;
• der ehemalige Innensenator und Zweite Bürgermeister Alfons Pawelczyk, der über viele Jahre als Berater der Warburg-Bank angestellt war und gegen Bezahlung mehrere persönliche Kontakte zum Ersten Bürgermeister Olaf Scholz vermittelt hat;
• der ehemalige Polizeichef und Leiter des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhrlau, der seinen Rat zum Umgang mit der Kölner Staatsanwaltschaft gegeben und die Medienarbeit der Bank über Kontaktvermittlung zu ausgesuchten Redakteuren unterstützt hat.
So sieht’s aus: Hamburg ist ein Paradies für Steuerräuber
Die Finanzbehörde hat im Komplex Warburg-Cum-Ex viele sachliche Fehlentscheidungen getroffen. Problematische Vorgänge und deren Hintergründe wurden aktiv vertuscht. Ein strukturelles Problem stellt dabei die Personallage dar: Politisch zu verantwortende Sparmaßnahmen, die eine Auflösung des „Cum-Ex-Referats“ zur Folge hatten, haben Ende 2014 zum Fortgang des größten verwaltungsinternen Experten für Cum-Ex-Geschäfte geführt. So gingen der Finanzbehörde viel Erfahrung aus vorherigen Cum-Ex-Fällen und notwendige bundesweite Kontakte verloren. Generell lässt sich festhalten: Es fehlte an Personal zur Befassung mit der komplexen Thematik.
Auch über fehlende Kapazitäten hinaus wies die Finanzverwaltung strukturelle Probleme auf, insbesondere in Bezug auf transparentes Verwaltungshandeln. Die Linksfraktion stellt fest, dass die Finanzbehörde und das Finanzamt für Großunternehmen im Fall Warburg aktiv versucht haben:
• für wichtige Entscheidungsprozesse keine oder keine ausreichenden Protokolle und sonstigen Dokumente zu verakten;
• die Aufklärungsarbeit der Staatsanwaltschaft Köln zu hintertreiben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg lehnte sich indes zurück. Bis auf ein wenig Papierkram und das Abnicken angeblicher nicht vorliegender Anfangsverdachte durch die ebenso zaghafte Steuerfahndung liegt keine Aktivität vor – während die Staatsanwaltschaft Köln mehrere Hamburger Fälle erfolgreich verfolgte und weiterhin verfolgt. Dem Untersuchungsausschuss sind weder Anklagen noch auch nur Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Hamburg in Sachen Cum-Ex bekannt, obwohl Hamburg gemessen an seiner Größe durchaus als Cum-Ex-Hotspot gelten kann.
Endgültig zum Paradies für Steuerräuber wird Hamburg durch die schwachbrüstigen Aufklärungsversuche der Koalitionsparteien, der zuständigen Fachbehörden und der Hamburger SPD-Spitzenpolitiker Scholz, Tschentscher und deren Umfeld. Darüber hinaus hat auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss als Medium der Aufklärung ein strukturelles Problem, das in seiner Zusammensetzung begründet liegt. Kann einer Partei, die in allen Ecken und Enden in den Skandal verwickelt ist, zugetraut werden, Verfehlungen ihres eigenen Bürgermeisters und Bundeskanzlers konsequent aufzuklären? Kann Beamt*innen zugetraut werden, die Aufklärung von Verfehlungen ihres Arbeitgebers, ihrer Kolleg*innen und sogar ihrer eigenen Verfehlungen konsequent zu unterstützen?
Kann ein Untersuchungsausschuss ungehindert aufklären, wenn er wesentlich von der Bereitschaft zur Selbstbezichtigung wichtiger Personen in seiner Mitte abhängt? – DIE LINKE sagt: Nein! Auch das Untersuchungsausschussgesetz muss reformiert werden.