Olympia 2024: Der Lack blättert ab

Weshalb brauchen wir für die Stadtentwicklung Olympia? Skepsis und Zweifel an Hamburgs Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 werden immer größer – schließlich sprechen so einige Argumente gegen den Olympia-Wahnsinn an der Elbe. Ein Überblick über die bekannten Fakten.

 

Ein Beitrag aus dem BürgerInnenbrief 10/2015

Langsam aber sicher verändern sich die Berichte und die Wahrnehmungen zu der Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Spiele 2024. Bis zum Sommer gab es fast nur positive Berichte, um nicht zu sagen Lobeshymnen auf die vermeintlich positiven Wirkungen von Olympia auf die Stadt Hamburgs. GegnerInnen von Olympia hatten es schwer, in den Medien ihren Niederschlag zu finden. Spätestens seit der Entwurf einer Stellungnahme des Rechnungshofs bekannt wurde, ändert sich das Blatt. Die obersten Hüter des Haushalts der Stadt Hamburg hatten auf die Risiken der Olympischen Spiele hingewiesen, die sich u.a. aus dem Vertragswerk des IOC ergeben. In der am 8. September 2015 offiziell herausgegebenen Fassung der Stellungnahme heißt es auf S. 35: „…die sich hieraus ergebende, nahezu vollständige Verlagerung aller Risiken, insbesondere auch der Haftungsrisiken, auf eine Gastgeberstadt führt zu einer deutlichen Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung. Diese wird dadurch verstärkt, dass eine Gastgeberstadt nach der bisherigen Vertragsgestaltung des IOC Planungsrisiken und Einflussnahmen ausgesetzt ist, die dazu führen können, dass es bei Infrastruktur- und Durchführungsmaßnahmen zu erheblichen Kostensteigerungen kommt.“

Rechnungshof hält an seiner Kritik fest

In der anschließenden politischen Debatte verwies die rot-grüne Regierungskoalition gerne darauf, dass der Rechnungshof die Risiken noch gar nicht beurteilen könne, da das IOC sich ja reformieren wolle und daher auch die Verträge anders als bisher aussehen könnten. Tja, dumm gelaufen. Im September 2015 veröffentlichte das IOC den Vertragsentwurf für Olympia 2024. In der Sitzung des Sportausschusses erklärte der Rechnungshof auf meine Frage zu dem Vertragswerk: „Wir haben … eigentlich trotz der in der Tat hier und da weicheren Formulierung keine wesentlichen Abweichungen zu dem Vorgängermodell gefunden – wesentlich in dem Sinne, dass die Stadt sich also anschließend sehr viel besser stehen würde, wenn sie zu diesen Bedingungen abschließen dürfte und nicht zu denen, die jetzt etwas Peking akzeptieren musste. Also da hat sich nicht viel geändert.“ (vgl. Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Sport und Olympia und sechs weiterer Ausschüsse vom 09.10.2015, S. 10/11).

Olympia-Finanzreport wenig glaubwürdig

Es gibt ein erstes Zahlenwerk zu den Olympischen Spielen in Hamburg, wobei es sich hier um ein unvollendetes Werk handelt. Auf S. 8 des sog. Finanzreports heißt es nämlich, dass sich „ein guter Überblick über die Kostenpositionen und die erwarteten Erlöse“ biete und dass es „sich ausdrücklich um eine Annährung handelt“. Selbst der Senat hat sich bisher mit diesen Zahlen nicht befasst, vielmehr wurde der Finanzreport von der Senatskanzlei herausgegeben. König Olaf und seine Senatskanzlei haben es also nicht für nötig gehalten, sich die Zustimmung der SenatorInnen zu holen. Oder gibt es im Senat etwa Unstimmigkeiten und keine vorbehaltlose Zustimmung zu dem Olympia-Wahnsinn?

Zustimmen sollen jetzt erstmal die BürgerInnen. Wer jedoch geglaubt hat, er oder sie könne sich für eine Entscheidung beim Referendum auf belastbare Zahlen stützen, wird enttäuscht. Relevante Kostenfaktoren wie die Verlagerung der Hafenbetriebe vom Kleinen Grasbrook werden erst in den nächsten Monaten erarbeitet, auch das Mobilitätskonzept ist noch nicht fertig. Nicht berücksichtigt wurden z.B.

  • die Risiken, wenn das IOC seine vertraglich gesicherten Rechte ausnutzt und z.B. weniger Geld aus seinen Einnahmen aus den Übertragungsrechten an die Stadt abführt.  Das IOC behält sich nämlich vor, den bisher genannten Betrag von 1 Mrd. € für die Gastgeberstadt zu reduzieren, „… falls das IOC der Auffassung ist, dass es nicht die gesamten Einnahmen erhalten hat, welche aus den im Zusammenhang mit den Spielen abgeschlossenen Broadcast Agreements erwartet wurden … .“ (s. Nr. 9 d des Host City-Vertrages)
  • die an den HVV zu zahlenden Erstattungen für die kostenlose Nutzung des ÖPNV mit der Eintrittskarte (es geht immerhin um 6,3 Mio. Eintrittskarten und folglich auch um Millionebeträge)
  • die Folgekosten z.B. für Unterhalt und Betrieb der neuen Sportstätten

Bei meinen Fragen im Haushaltsausschuss zu den vielen Risiken im Finanzreport kam schon fast gebetsmühlenhaft: „Frau Sudmann, Sie können natürlich immer die Risiken sehen und Angst vor Entscheidungen haben. Wir sehen die Chancen, wir wollen den Tiger reiten und wir bringen die Stadt voran.“ Da kann frau immer wieder auf die Olympia-Gastgeberstädte der letzten 50 Jahre verweisen, die es mit Kostensteigerungen von durchschnittlich 100 % zu tun hatten. „Hamburg ist eine Kaufmannsstadt, wir können rechnen“ pfeift es dann aus dem dunklen Wald. Als hätte es die Elphi nicht gegeben und als seien alle anderen Stadtregierungen zu doof.

Nicht begeistert ist bisher auch der Bund, der nach jüngsten Aussagen keineswegs so viel zahlen will, wie der Senat vorsieht. Bei den bisher angesetzten Gesamtkosten von 11,2 Mrd. € bricht mal eben mehr als die Hälfte der Finanzierung weg, das sieht nicht gut aus für den Senat.

Nicht belegen konnte der Senat im Haushaltsausschuss, wie er zu der Annahme kommt, dass die Olympischen Spiele einen positiven wirtschaftlichen Effekt auf die Stadt haben. Sollte es daran liegen, dass es keine Studien hierzu gibt? In dem am 13.10.2015 veröffentlichten Papier Hamburger WissenschaftlerInnen aus Arbeitsbereichen wie Stadtplanung, Bauen, Soziales, Wirtschaft, Geographie, Umwelt und Kriminologie (www.olympiakritik-aus-der-wissenschaft.de) ist unter der Überschrift „Olympische Spiele sind ein unkalkulierbares finanzielles Risiko“  zu lesen:

Positionspapier Hamburger WissenschaftlerInnen zerpflückt die Senatspläne

„… Olympische Spiele sind das finanziell riskanteste Großprojekt für Städte überhaupt. Es gibt keine konkreten Zahlen, die langfristig positive Effekte für Veranstaltungsorte belegen. Studien anderer Olympiastädte zeigen, dass erhoffte Zusatzeinnahmen für den Tourismus im Jahr der Spiele durch Verlagerungseffekte ausbleiben. Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt werden die zusätzlichen Beschäftigungsbedarfe fast ausschließlich durch befristete Niedriglohnjobs gedeckt. …“

Die WissenschaftlerInnen kritisieren die fehlende unabhängige Überprüfung der Szenarien, bewerten das Beteiligungsverfahren als weder ausgewogen noch ergebnisoffen, sehen die Gefährdung einer sozial gerechten Stadtentwicklung und zu erwartende Einschränkung von BürgerInnenrechten. Sie appellieren an Senat und Bürgerschaft zu den genannten Risiken Stellung zu beziehen und damit den HamburgerInnen zu ermöglichen, ihre Entscheidung zur Olympiabewerbung sachgerecht abwägen zu können.

BUND: Spiele in Hamburg sind nicht umweltverträglich 

Zwei Tage nach den WissenschaftlerInnen hat der BUND dem Senat am 15.10.15 einen kräftigen Dämpfer verpasst. Er empfiehlt ein „Nein“ beim Referendum. Damit erteilt der bedeutendste Umwelt- und Naturschutzverband in Hamburg dem Senat eine klare Abfuhr. Dessen Aussage, Hamburg bekomme die nachhaltigsten Spiele war schon immer problematisch, da viele frühere Gastgeberstädte die selbe Behauptung aufgestellt hatten. In London z.B. wurde jedoch über die Hälfte der Nachhaltigkeitsmaßnahmen gar nicht oder nur unvollständig umgesetzt.

Der Hamburger Senat hat versucht, die Umwelt- und Naturschutzorganisationen frühzeitig über den „Dialogkreis Nachhaltigkeit“ einzubinden. Doch klare Aussagen sind bisher nicht dabei herausgekommen. So erklärt der BUND auch:  „Das Nachhaltigkeitskonzept enthält vorrangig unverbindliche Absichtserklärungen.“

Und zum Ende der Woche konnte der Senat dann auch noch in der Mopo lesen, dass 88,8 % der befragten HamburgerInnen nicht glauben, dass es bei den 1,2 Mrd. € als maximale Kosten für Hamburg bleibt.

Skepsis und Zweifel wachsen

Auch an den Infoständen und bei den Diskussionsveranstaltungen in den Schulen mit den wahlberechtigten SchülerInnen ist zu merken, dass die kritischen Stimmen immer mehr und lauter werden. Weshalb brauchen wir für die Stadtentwicklung Olympia?  ist eine der häufig gestellten Fragen. Die angebliche Beschleunigung der Stadtentwicklung überzeugt nicht, vielmehr erhöht sie die Skepsis vieler Menschen.

Völlig unverständlich ist für viele, weshalb sie am 29.11.2015 nach ihrer Meinung gefragt werden und diese dann aber nicht lange zählt, wenn sie ja sagen. Olaf Scholz hat nämlich verkündet, dass es bis Februar 2016 mehr Klarheit bei den Finanzen geben würde und er dann entscheidet, ob die Stadt sich weiterhin bewirbt.

Wer bisher von Olympia nicht überzeugt ist und Zweifel hat, wie das zu bezahlen ist und vor allem wer am Ende die Hamburger Zeche bezahlt, der/dem bleibt nichts anderes übrig, als am 29.11.2015 mit Nein zu stimmen.