Trotz freiwilliger Selbstverpflichtung der HHLA: Atomtransporte durch unsere Stadt werden nicht weniger
von Stephan Jersch
Die Vorgänge im Hafen und auf der Elbe werden laufend von Anti-Atom-Aktivisten/-innen, beobachtet und es kommt immer mal wieder zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Um allerdings möglichst vollständige Angaben über Anzahl, Art und Umfang der Atomtransporte zumindest durch Hamburgs Hafen verfügbar zu machen, stelle ich seit 2015 zusammen mit meinem für den Hafen zuständigen Fraktionskollegen Norbert Hackbusch dem Senat etwa alle drei Monate umfassend Fragen zum Themenkomplex.
Anders als in Bremen, wo es ein landesrechtliches Umschlagverbot (Teilentwidmung des Hafens) gibt, setzt der Hamburger Senat laut Ankündigung im rot-grünen Koalitionsvertrag 2015 auf freiwilligen Verzicht von Atomfrachtbehandlung durch die Hafenwirtschaft. Damit will er sich wohl nicht dem in Bremen mittlerweile vor dem Verfassungsgericht anhängigen Streit aussetzen, ob diese Maßnahme vollständig durch die Widmungskompetenz eines Bundeslandes für seinen Hafen gedeckt ist.
Wie aus den Antworten zu der Reihe unserer Schriftlichen Kleinen Anfragen zum Themenkomplex zum Jahr 2018 hervorgeht, hat aber auch der von SPD und Grünen erbetene „freiwillige“ Weg noch nicht zum Erfolg geführt. Die Zahl der Atomtransporte nimmt nicht mal ein bisschen ab und es haben sich bisher nur die drei zur HHLA gehörenden Terminals CTB, CTT und CTA zumindest auf einen freiwilligen Verzicht von Kernbrennstoffumschlag, also dem gefährlichsten Atomstoffumschlag, eingelassen. Wie aus Drs. 21/15632, unserer letzten Anfrage „Atomtransporte durch Hamburg (XV)“ hervorgeht, haben sich die Firmen C. Steinweg (Süd-West Terminal) GmbH & Co. KG und Eurogate GmbH & Co. KGaA, KG (Anlagen im Waltershofer Hafen) in der Frage noch nicht gegenüber dem Senat geäußert.
Hamburg bleibt Drehscheibe des weltweiten Atomgeschäfts
Ein Jahr vor der nächsten Bürgerschaftswahl lässt die rot-grüne Parlamentsmehrheit also immer noch zu, dass Hamburg eine Drehscheibe des atomaren Geschäfts weltweit ist. Man kann behaupten, der Senat wasche für seinen eigenen Gestaltungsbereich die Hände in Unschuld und sieht zu, wie das tödliche Geschäft von anderen weiter betrieben wird. Auch in diesem Politikfeld also eine ziemliche Showpolitik, die dem Blick hinter den strahlenden Vorhang nicht standhält.
2018 sind nachweisbar rund 180 Atomtransporte durch die Stadt gegangen, nicht weniger als in den beiden Jahren zuvor. Und das trotz Stilllegungen deutscher Atomkraftwerke vor Jahren, einem grünen Energiesenator und der Ankündigung eines freiwilligen Umschlagverzichts im Hafen im Koalitionsvertrag 2015 und durch die städtische HHLA!
Daten zu 80 Kernbrennstofftransporten und 99 sonstigen Atomtransporten im Jahr 2018 haben wir der interessierten Öffentlichkeit bereitgestellt. Uranoxide, das extrem giftige und ätzende Uranhexafluorid, unbestrahlte (neue) Brennelemente für andere Länder und deren AKW oder andere Produkte im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomtechnologie werden weiterhin im Hamburger Hafen umgeschlagen und/oder durch das Hamburger Stadtgebiet transportiert, statistisch also mehrfach pro Woche.
Jeder Transport gefährdet die Menschen im Hafen und in ganz Hamburg
Für den zahlenmäßig größten Anteil der Transporte „sonstiger radioaktiver Stoffe“ besteht nicht mal eine atomrechtliche Meldeverpflichtung. Es gibt also gerade beim Straßentransport eine Dunkelziffer. Insider-Angaben zur Gesamtzahl der Straßentransporte (inkl. denen aus dem Hafen) sprachen schon vor Jahren von 300 bis 400 Transporten.
Dass dabei die Anzahl der festgestellten sicherheitsrelevanten Mängel glücklicherweise weiter rapide zurückgegangen ist, freut besonders meinen Fraktionskollegen Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Fraktion, der zusammen mit mir die Tradition der Atom-Anfragen seit 2015 fortführt – Anfragen, die übrigens vor vielen, vielen Jahren die Grünen selbst gestellt haben. Hackbusch meint zum Rückgang der Sicherheitsmängel: „ Das mag mit der Intensivierung der Kontrollen im Bereich der Ladungssicherung zu tun haben. Die Wasserschutzpolizei schaut da seit einigen Jahren erfreulicherweise genauer hin und aufseiten der Verlader und Transporteure scheint man darauf reagiert zu haben.“ Vielleicht haben wir durch unsere beharrliche Fragerei da auch ein bisschen nachgeholfen. Nachdem vor zwei Jahren noch 80 solcher Mängel und vorletztes Jahr 20 auffielen, brachte 2018 nur mehr acht sicherheitsrelevante Transportmängel.
Festzuhalten ist aber, dass nicht nur die 20 offiziell festgestellten Sicherheitsmängel, sondern jeder Atomtransport die Umschlagsarbeiter im Hafen und die Bevölkerung der Stadt gefährdet. Der Hafen bleibt auch 2018 eine internationale Drehscheibe für die Ver- und Entsorgung von Atomkraftwerken. Die Atomfabriken in Lingen und Gronau z.B. werden aus vielen Ländern der Welt beliefert oder beliefern diese. Und nochmal Norbert Hackbusch dazu: „Es ist nicht einzusehen, warum Atomtransporte z.B. von Afrika nach Frankreich über Hamburg gehen. Die im Hafenumschlag Arbeitenden sind auch arbeitsschutzrechtlich betroffen.“