Veranstaltungsbericht: 50 Jahre Gesamtschule. Hoffnung – Wirklichkeit – Perspektive

IMG_1682-300x225 Am Dienstag, 18.9.2018, hatte die Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft zu einer Würdigung der vor fünfzig Jahren gegründeten Gesamtschule eingeladen. Sabine Boeddinghaus, MdHB, und Christiane Albrecht, Verein „Eine Schule für alle“ moderierten den Abend, den Anja Besinger-Stolze, Vorsitzende der GEW Hamburg, mit einem Grußwort einleitete. Sie betonte die Aktualität der damaligen Forderungen und den wegweisenden Charakter der Gesamtschule. Beides sei auf die Gegenwart übertragbar.

Über fünfzig Gäste, unter ihnen erfreulicher Weise auch der ehemalige Bildungssenator Joist Grolle, richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Beiträge von Dietrich Lemke und Ulrich Vieluf. Lemke, ehemaliger Oberschulrat und GEW-Vorsitzender, sprach von seiner Erfahrung, wie die Gesamtschulen geschaffen wurden, um die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem zu verringern. Vieluf, ehemaliger Staatsrat und anerkannter Bildungsforscher, betonte, die Erfolge der Gesamtschule in einem segregierten Schulsystem seien wenig gewürdigt worden. Diese Erfolge drückten sich in höheren individuellen Lernzuwächsen der Schüler_innen, einem inklusiven pädagogischen Ansatz und einem enormen Integrationserfolg aus.

In ihrem Resümee der Wirklichkeit der Gesamtschulen waren sich Lemke und Vieluf einig, dass die Gesamtschulen, nach einem starken Ansturm in ihren ersten zehn Jahren, unter einem negativem Selbstbild und einer entsprechenden öffentlichen Wahrnehmung litten. „Dabei“, so Vieluf, „war die Gesamtschule immer besser!“ Doch Anfang der 1990er Jahre habe die Kraft der Elternschaft gefehlt, das Gesamtschulsystem über 40 Schulen hinaus auszudehnen. Mit der Umwandlung der Schulformen gingen 2010 die Gesamtschulen in Hamburg in Stadtteilschulen auf. „Eine erfolgreiche Stärkung der Stadtteilschulen ist ihre Weiterentwicklung mit dem Gymnasium zu einer Schule in Hamburg,“ sagte Christiane Albrecht.

Die Teilnehmer_innen, unter ihnen Anna Ammon, Vorsitzende des Hamburger Flügels der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule, trugen mit ihren eigenen Erfahrungen aus dem Schulalltag und dem Engagement für und in den Gesamtschulen zu einer lebendigen Debatte bei.

Dietrich Lemke hob seine Perspektive hervor: „Zehn Jahre sogenannter Schulfriede sind nichts weiter als innovative Stagnation. Man muss immer wieder versuchen, eine Schule für alle umsetzen!“ Ulrich Vieluf unterstrich, dass insgesamt wenig Geld für Bildung ausgegeben werde. Dabei werfe Bildung die höchsten „Gewinne“ ab. Er wünsche sich, dass hinsichtlich einer Gesamtschule die Überzeugung Joist Grolles lebendig werde, dass nicht nur Leistungen und Noten entscheiden, sondern ob sie eine humanere Schulform sei.

Sabine Boeddinghaus schloss den Abend mit dem Hinweis, dass das Zwei-Säulen-Modell die soziale Ungleichheit noch verstärke, statt sie zu kompensieren und dass sie sich für ein gemeinsames Engagement für eine Schule für alle mehr Druck aus der Gesellschaft wünsche. Die LINKE werde sich ganz sicher weiter für das Ziel einer gerechten und demokratischen Schule einsetzen.