von Heike Sudmann

Mietendeckel-1-300x212 In der Januar-Ausgabe des BürgerInnen-Briefs hatten wir den LINKEn-Antrag für einen Mietendeckel in Hamburg (Drucksache 21/15921) dokumentiert. Wie die Bürgerschaftsdebatte zu diesem Antrag Mitte Februar verlief, wie sich die aktuelle Diskussion entwickelt und ein Überblick über den Mietendeckel finden sich nachfolgend.

Die Bürgerschaft und ein Mietendeckel für Hamburg

Leider stand die LINKE allein mit ihrer Forderung da, dass alle Möglichkeiten zum Schutz der Mieter_innen genutzt werden müssen, wenn die Miete nicht arm machen soll. Von 2011 bis 2017 sind die Mieten in Hamburg laut Mietenspiegel um 18 Prozent gestiegen, während die Inflationsrate nur um 10 Prozent anstieg. Von den im gleichen Zeitraum neu errichteten 45.000 Wohnungen waren drei Viertel teure freifinanzierte und Eigentumswohnungen. Das Credo der SPD „bauen, bauen, bauen für günstige Miete“ ist eine Lebenslüge, wenn so viel teure und miettreibende Wohnungen errichtet werden.  Ein Mietendeckel für Hamburg kann die Abzockerei durch gierige Vermieter_innen und Aktionär_innen beenden. Ein Mietendeckel ist kein Teufelsding, bis 1974 gab es in Hamburg bereits eine Mietpreisbegrenzung. Der Wohnungsneubau kam dadurch nicht zum Erliegen, sondern fand in heute unbekanntem Ausmaß statt.

Alle anderen Bürgerschaftsfraktionen waren sich in der Debatte einig, dass sie keinen Mietendeckel für Hamburg wollen. Teilweise haarsträubende „Argumente“ wurden vorgebracht:

  • die Wohnungsunternehmen müssten ihre Mitarbeiter_innen entlassen, weil es Unterhalt bzw. Instandsetzung von Wohnungen nicht mehr geben würde
  • Neubau würde nicht mehr stattfinden
  • das sei Wohnraum-Sozialismus, DDR-Niveau solle eingeführt werden
  • das Recht auf Eigentum sei auch mit dem Recht auf Rendite verknüpft
  • der LINKEn würde es nur um Populismus und Wähler_innenstimmen gehen.

In dem heftigen Schlagabtausch wurde mehreres klar:

  • die rechtliche Möglichkeit eines Mietendeckels interessierte die anderen Fraktionen nicht. Inhaltlich wussten sie nicht oder wollten sie nicht wissen, dass u.a. eine zeitliche Begrenzung des Mietendeckels auf fünf Jahre und die Ausklammerung des Wohnungsneubaus vorgesehen sind.
  • Rot-Grün versteckt sich hinter dem „Bündnis für das Wohnen“ mit der Wohnungswirtschaft, damit die eigene Mutlosigkeit und der fehlende Durchsetzungswillen von Reformen zugunsten der Mieter_innen nicht bemerkt werden

 

Die Diskussion geht weiter – vor allem in der Stadt Berlin

Die Diskussion über den Mietendeckel geht vor allem in der Stadt Berlin weiter. Anfang März habe ich dort an einer Veranstaltung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV) teilgenommen. Die ca. 40 anwesenden Jurist_innen, Fachanwält_innen,  Richter_innen, Universitätsprofessor_innen u.a. waren sich beim „ob“ einig: ein Mietendeckel kann als eigene, landesrechtliche Regelung eines Bundeslandes erlassen werden. Das „wie“ beinhaltet verschiedene Möglichkeiten, die noch eingehender diskutiert werden müssen.

Im Berliner Senat soll es Mitte März (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe des BürgerInnen-Briefs) eine Vorlage zum weiteren Umgang mit dem Mietendeckel geben.

Es gibt also weiter Hoffnung, dass die Bundesländer – und somit auch Hamburg – eigenständig einen rechtlichen Weg gegen den Mietenwahnsinn beschreiten können. Die politische Mehrheit muss es wollen und darf nicht wie in Hamburg schon die Diskussion verweigern.

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Mietendeckel – was ist das, wie geht das?

Informationen rund um den Mietendeckel zusammengestellt von Heike Sudmann:

 

  1. Wieso ist der Mietendeckel jetzt ein Thema?
    • Das „soziale“ Mietrecht wie Mietpreisbremse, Kappungsgrenze etc. ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und liegt in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
  • Ein Berliner Jurist, Peter Weber, hat recherchiert und daraus die Auffassung entwickelt, dass – anders als bisher angenommen – die Bundesländer eine gesetzliche Kompetenz im Mietpreisrecht haben (über das Preisgesetz von 1948). Bekannt wurde sein Beitrag aus der Juristischen Zeitung von November 2018 durch die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete und Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl und zwei SPD-Mitstreiter aus Berlin: sie haben im Januar 2019 via „Der Tagesspiegel“ einen Mietendeckel für Berlin gefordert.

 

  1. Was ist damit gemeint?
  • die Möglichkeit für ein Bundesland, die Mieten von bereits vermieteten Wohnungen zu begrenzen bzw. neu festzusetzen. Neubauten sind außen vor.
  • die Festsetzung der Miete erfolgt für einen begrenzten Zeitraum, z.B. für fünf Jahre wie bei der Mietpreisbremse oder der Kappungsgrenze. Nach Ablauf der fünf Jahre wird über eine Verlängerung entschieden

 

  1. Wie kann die Begrenzung aussehen?
  • pauschal für Quartiere, Stadtteile, die ganze Stadt oder
  • wie beim Mietenspiegel nach Altersklasse, Ausstattung, … oder
  • individuell nach der jeweiligen Miethöhe für eine Mietwohnung. Relevant ist dann der Stichtag, der zugrunde gelegt wird. 01.01.2019 oder rückwirkend, z.B. auf Start des Mietenwahnsinns oder auf Startjahr der SPD-Regierung 01.01.2011. Je weiter zurück, desto größer der Widerstand der Vermieter_innen und Wohnungswirtschaft.

 

  1. Wie realistisch ist ein Mietendeckel?
  • die Jurist_innen streiten. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat im Februar 2019 auf mageren vier Seiten einerseits eine Kompetenz der Bundesländer bestritten, andererseits aber die prinzipielle Möglichkeit eines Mietendeckels nicht ausgeschlossen.
  • die linke Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das demnächst veröffentlicht werden soll.
  • Ein Berliner Richter, Dr. Max Putzer, hat Ende Februar in einem vorab bekanntgewordenen Beitrag für die „Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht“ unterstrichen, dass die Landesgesetzgeber einen Mietendeckel erlassen können. Die damit verbundene Mietpreisbindung sei ein klassisches Instrument des Öffentlichen Rechts. Der soziale Zweck bestehe in der Schaffung bzw. Bewahrung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum.
  • In einer nichtöffentlichen Veranstaltung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV) Anfang März, an der ich teilgenommen habe, waren sich die ca. 40 anwesenden Jurist_innen, Fachanwält_innen, Richter_innen, Universitätsprofessor_innen u.a. beim „ob“ einig: ein Mietendeckel kann als eigene, landesrechtliche Regelung eines Bundeslandes erlassen werden. Das „wie“ beinhaltet verschiedene Möglichkeiten, die noch eingehender diskutiert werden müssen.

 

  1. … und in Hamburg?
  • obwohl SPD und Grüne in Berlin sich für einen Mietendeckel und vor allem für die Prüfung aller rechtlichen Möglichkeiten aussprechen, ist Rot-Grün in Hamburg vehement dagegen. Ein Bürgerschaftsantrag der LINKEn (Drs. 21/15921) wurde am 13.2.19 rundweg abgelehnt.
  • auf einer Diskussionsveranstaltung Ende Februar hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf öffentlich bedauert, dass die CDU schärfere Bundesregelungen für die Mietpreisbremse verhindern würde. Meinem Einwand, dass er mit dem Mietendeckel genau die landesrechtliche Möglichkeiten bekommen könnte, konnte er nichts entgegensetzen.

 

  1. Fazit: Es geht was!
  • Die vor allem in der Stadt Berlin laufenden Diskussionen und Fachbeiträge zeigen, dass es mehr rechtliche Möglichkeiten auf Landesebene gibt, als bisher angenommen wurde.
  • Die (Mehrheits-)Politik in Hamburg muss sich der Diskussion über den Mietendeckel stellen, wenn sie dem Mietenwahn ein Ende bereiten will oder ihn wenigstens einschränken will.
  • Rot-Grün will sich nicht mit der Wohnungswirtschaft anlegen. Das „Bündnis für das Wohnen“ wird von ihnen oft genutzt als Ausrede, z.B. weshalb nicht noch mehr Soziale Erhaltungsverordnungsgebiete beschlossen werden. Auch die von LINKE und den Grünen im Bundestag geforderte „Neue Gemeinnützigkeit“ für Wohnungsunternehmen wird in Hamburg mit Verweis auf den Widerstand bei der Wohnungswirtschaft nicht weiter diskutiert. Ohne Frage ist die Wohnungswirtschaft wichtig für Hamburg. Doch das Wohlergehen der Mieter_innen, die soziale Frage, ist ebenso wichtig für Hamburg. Deshalb darf es weder Denk- noch Diskussionsverbote.

Dieser Artikel ist im  BürgerInnenbrief von Christiane Schneider und Heike Sudmann erschienen. Den ganzen Rundbrief finden Sie hier.  Alle BürgerInnenbriefe der letzten Jahre können Sie hier einsehen. Wenn Sie den BürgerInnenbrief per E-Mail beziehen möchten, schicken Sie eine Mail an urvxr.fhqznaa@yvaxfsenxgvba-unzohet.qr oder puevfgvnar.fpuarvqre@yvaxfsenxgvba-unzohet.qr.

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