Sabine Boeddinghaus: Olympische Spiele sind kein Wohnungsbauprogramm!

Unsere Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus erklärt das Nein der LINKEN zu Sommerspielen in Hamburg: Lasst uns das Geld lieber direkt investieren!

Uns begegnen immer wieder Leute, die sagen: „Olympia in Hamburg finde ich toll. Dass das sehr teuer wird und mit vielerlei Unannehmlichkeiten und Risiken verbunden ist, nehme ich in Kauf. Deshalb stimme ich beim Referendum mit Ja.“ Diese Argumentation finden wir ehrlich und legitim. Was nicht heißt, dass wir sie teilen. Aber so kann man es sehen.

Wenn doch alle Olympiafans auf diese Weise argumentieren würden! Tatsächlich aber treffen wir in diesen Tagen viel häufiger auf eine ganz andere Art der Argumentation. Vertreten wird sie von nahezu allen Olympiafans, vom ECE-Konzern über den Hamburger Sportbund (HSB), von CDU, FDP, SPD, der Handelskammer, vom Senat bis zu den Grünen. Olympia, so wird uns da erzählt, sei ein gutes Geschäft. Es bringe einen riesigen Mehrwert für die Stadt. Wohnungen entstünden, neue Verkehrswege würden gebaut, die Stadt werde international noch bekannter, Sportstätten renoviert und so weiter.

Über jeden einzelnen dieser Punkte lässt sich prima streiten, und das tun wir in diesen Tagen auch oft und heftig. Athen, Peking und London sind warnende Beispiele: Versprechungen ähnlicher Art hat es vor allen Olympischen Spielen in der Vergangenheit gegeben – gehalten wurde davon meist wenig. Doch ebenso falsch wie viele der schönen Verheißungen, die uns gerade in Zusammenhang mit Olympia gemacht werden, ist diese Art der Argumentation schon vom Grundsatz her. Es ist die Argumentation eines Haustür­geschäfts, einer Abo-Werbung.

Stadtentwicklung geht auch ohne Olympia

Die Zeitschrift gefällt Ihnen nicht, oder nur so halb? Die Inhalte sind Ihnen zu seicht, die Hochglanzbilder zu plump, und die viele Werbung stört Sie auch noch? Dann schauen Sie sich doch mal unsere schönen Prämien an! Unterschreiben Sie hier, und Sie bekommen ein Porzellanservice, einen Toaster und ein zwölfteiliges Besteck­set gratis dazu! Mal ehrlich: Sind Sie nicht auch der Meinung, dass man um solche Geschäfte grundsätzlich einen Bogen machen sollte?

Es ist doch ganz einfach. Wenn mir eine Zeitschrift nicht gefällt, dann kaufe ich sie nicht. Punkt. Und wenn ich ein Porzellanservice, einen Toaster oder ein Besteckset haben will, dann kaufe ich sie mir selbst und verzichte auf das Zeitschriften-Abo. Dann kann ich nämlich selbst entscheiden, ob ich ein 36-teiliges, ein 24-teiliges oder ein zwölfteiliges Besteckset brauche. Auf Olympia übertragen heißt das: Natürlich finden wir den Bau neuer Wohnungen gut. Ein inklusiver Stadtteil ist eine tolle Idee. Und dass die Sporthallen endlich saniert werden müssen, hat nicht zuletzt eine Anfrage der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft ans Licht gebracht. All diese schönen Projekte sollte der Senat so schnell wie möglich in Angriff nehmen! Aber das geht auch prima – ohne Olympia.

Denn was geht wohl schneller, effizienter und billiger: erst ein Olympiastadion zu errichten und anschließend zu Wohnungen umzubauen? Oder die Wohnungen direkt zu bauen – ohne Umweg über das Stadion?

IOC-Knebelvertrag und hohes finanzielles Risiko

Sechs Jahre lang will Olaf Scholz 200 Millionen im Jahr für Olympia lockermachen. Lasst uns dieses Geld tatsächlich in die Hand nehmen und direkt investieren! In bessere Sport­stätten, barrierefreie U-Bahnen, in bezahlbare Wohnungen. Dann könnten wir uns zum Beispiel die 250.000 Dollar sparen, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) allein dafür kassiert, die Bewerbungsunterlagen entgegenzunehmen! Wir könnten uns das Geld für Überwachungskameras und Zäune, für Sonderfahrspuren und Dinnerpartys sparen, nichts ausgeben für Werbeplakate, Imagefilmchen und Hochglanzbroschüren.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Sportveranstaltungen – auch große – finden auch wir völlig in Ordnung in Hamburg. Gerne begrüßen wir internationale Gäste zu Veranstaltungen in unserer Stadt. Aber nicht, wenn uns zur Voraussetzung gemacht wird, dass wir zuvor große Teile der Stadt umbauen, einen Knebelvertrag unterschreiben und das volle finanzielle Risiko wir SteuerzahlerInnen tragen müssen. Olympische Spiele sind kein Wohnungsbauprogramm, und das IOC ist keine Stadtentwicklungsgesellschaft. Nach Abwägung aller Argumente ist für uns deshalb ganz klar: nein zu diesem Olympia!

Dieser Text wurde am 19.11.2015 im Hamburger Abendblatt veröffentlicht.

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Viele Fakten und Hintergrundinfos zur Olympia-Bewerbung haben wir Backbord_2015_ außerdem in unserer Fraktionszeitung „Backbord“ zusammengefasst.