Norbert Hackbusch
Norbert Hackbusch

Mit ihrem am 13. Juni in der Welt erschienenen Debattenbeitrag antworten Norbert Hackbusch und Joachim Bischoff auf den zwei Tage zuvor erschienen Aufsatz des ehemaligen Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU). Er hatte sich für weitere Privatisierungen und andere neoliberale Maßnahmen stark gemacht – und wollte nicht an die katastrophalen Folgen seiner eigenen Politik erinnert werden. Genau das tun unsere beiden Autoren mit ihrem Beitrag.

„Klare ordnungspolitische Grundsätze“ hat Wolfgang Peiner am Montag in der Welt als Kompass empfohlen, nach dem Politik in Hamburg gestaltet werden könne. Das sehen wir ganz genau so – allerdings ist unser Kompass und der vieler Hamburgerinnen und Hamburger anders ausgerichtet als der von Peiner.

Wohin sein Orientierungssinn die Hansestadt schon geführt hat, will der frühere CDU-Finanzsenator lieber nicht diskutiert wissen. Aber: Wer einen Kurs fortsetzen will muss auch prüfen, ob angepeilte Etappenziele überhaupt erreicht wurden. Und da zeigt sich, dass Peiners langjährige Privatisierungspolitik Hamburg viel öffentliches Eigentum gekostet hat, wie die Verschleuderung wichtiger Gebäude in der Primo-Aktion zeigt, dass sie Hamburg in eine folgenreiche Umverteilung zulasten der Armen geführt hat – und in eine beispiellose Entdemokratisierung. Wir erinnern nur daran, dass Peiner den Landesbetrieb Krankenhäuser gegen das ausdrückliche Votum einer Volksabstimmung privatisierte.

Aber folgen wir dem Ex-Senator wie gewünscht in die Gegenwart. Er plädiert zunächst für einen Staat, der lediglich als Hüter des Wettbewerbs und Kontrolleur der Qualität auftritt. Ein Staat, der allein damit schon dafür sorgt, dass in lebenswichtigen Bereichen wie Krankenhäusern, Nahverkehr oder Kitas „die erforderlichen Leistungen zu marktkonformen Preisen in definierter Qualität von den Marktteilnehmern angeboten werden“.

Peiner blendet die Realität in Hamburg aus

Doch Peiner blendet die extrem unterschiedlichen Einkommensverhältnisse in Hamburg einfach aus. Viele Bürgerinnen und Bürger haben schlicht große Schwierigkeiten, sich lebenswichtige Gebrauchswerte zu „marktkonformen Preisen“ zu kaufen. Und: Elementare Dinge wie Wohnen, Mobilität, Bildung, Gesundheit und Pflege sind keine Waren! Der öffentliche Sektor muss sicherstellen, dass jeder Mensch damit versorgt wird – nicht nur, dass sie irgendwo mit Preisschild im Schaufenster stehen.

Der Staat muss, fordert Peiner weiter, aktiv gestalten bei der Bereitstellung der Infrastruktur, bei der Förderung neuer wirtschaftlicher Schwerpunkte, bei der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen in der privaten Wirtschaft. Stimmt. Und richtig ist auch, dass die rot-grüne Wirtschaftspolitik der zentralen Anforderung einer zukunftsorientierten Strukturpolitik nicht gerecht wird.

Aber im 21. Jahrhundert brauchen wir kräftige Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock und die öffentliche Infrastruktur, wenn wir auch private Investitionen für zukunftssichere Unternehmen und Arbeitsplätze mobilisieren wollen. Temporäres Investment oder Verzicht auf Subventionen helfen da nicht weiter. Die Stadt muss sich um das unternehmerische Geschehen aktiv kümmern! Nur so sichern und fördern wir gesunde Unternehmen und den Arbeits- und Wirtschaftsraum Hamburg.

Katastrophale Folgen der Privatisierungspolitik

Peiner will die sozialdemokratische Konzeptionslosigkeit für eine Belebung seiner neoliberalen Marktphilosophie nutzen. Da wäre ihm eine Erörterung seiner Privatisierungspolitik natürlich unangenehm. Dabei sind die katastrophalen Folgen unübersehbar, gerade in der Gegenwart:

Dem Betreuungsdienstleister Pflegen und Wohnen etwa droht aktuell, zehn Jahre nach der Privatisierung, ein Weiterverkauf an Oaktree. Der rücksichtslose Finanzinvestor ist wohl kaum geeignet, pflegebedürftige Hamburgerinnen und Hamburger aufopferungsvoll zu umsorgen. Die Standards der Pflege, die Arbeitsbedingungen und die Grundstücke und Gebäude stehen nun unter kräftigem Verwertungsdruck – ist das die Qualitätssicherung, die Peiner bis heute allein durch das Hüten des Wettbewerbs verspricht?

Von der HSH Nordbank, deren Aufsichtsratschef er war, wollen wir hier gar nicht erst reden. Private können öffentliche Aufgaben besser erledigen? Nicht der öffentliche Besitz löste die Katastrophe aus, sondern die vehemente Anstrengung dieser Bank und Peiners selbst, die HSH „zu einer internationalen Geschäftsbank weiterzuentwickeln, aber nicht als Landesbank, (…) sondern als Aktiengesellschaft mit dem klaren Ziel, an die Kapitalmärkte zu gehen“. Das Ergebnis ist bekannt.

Doch Peiner, der eine nicht zu unterschätzende persönliche Mitverantwortung an dieser Entwicklung trägt, ist aus seiner eigenen Geschichte nicht klüger geworden. Ob sich die Hamburgerinnen und Hamburger seinem Kompass anvertrauen wollen, sollten sie sich sehr genau überlegen.